Bericht von Marie-France Eisner über das Kinderlager 2010
Es ist Anfang August in Belarus und die Sonne knallt förmlich vom Himmel, der Boden ist trocken und die Luft steht. In Minsk sind es jetzt geschätzte 36 Grad, in Nadezhda, unserem Ferienort, mitten im Wald weht uns am See der Wind um die Nase. [bild1]
Lautes und fröhliches Kreischen schallt über den gesamten Strand, während Slava, Dima, Mursja und Wanja sich gegenseitig mit Wasser bespritzen und versuchen unterzutauchen.
Das Kindererholungszentrum in Nadezhda, ca. eine Autostunde von Minsk entfernt ist auch in diesem Jahr wieder der Schauplatz des Kindersommerlagers mit Kindern aus dem Heim Novinki für Kinder mit Behinderungen. Zehn Tage wohnen zwölf Kinder zusammen mit neun Freiwilligen und drei Pädagoginnen hier und machen gemeinsam Urlaub. Das Programm besteht aus Malen, Spielen, Baden und hauptsächlich Essen.
Essen wird geradezu zelebriert und gliedert den Tage in feste Einheiten. Er beginnt mit dem Frühstück, darauf folgt der „Poldnik“, das zweite Frühstück, darauf dann wiederum das Mittagessen, wieder ein „Poldnik“ (das zweite Mittag) und zu guter letzt das Abendbrot! Man stelle sich nun schon zum Frühstück Pelmeni (Maultaschen) vor, von den ganzen anderen Leckerein gar nicht zu sprechen.
Neben dem ganzen Essen gab es natürlich reichlich andere Aktivitäten, wie z.B. die Wanderung zum See und zurück und das Baden. Die Stecke zum See ist normalerweise in 15 Minuten zu schaffen, mit allen gemeinsam dauerte es jedoch knapp eine Stunde und war so zusammen mit dem Baden ein vormittags füllender Programmpunkt – und sicherlich der beliebteste. Einmal am See, gab es kein halten mehr! Es wurde gespielt, gekreischt und getobt was das Zeug hielt. Wenn allen eigentlich schon lange kalt war, die Haut an den Armen schon von Gänsehaut gekräuselt und die Härchen aufrecht standen, dann mussten wir Freiwilligen alle unsere Überzeugungskraft anwenden um die Wasserratten aus dem See zu locken, und wenn selbst die nichts nützte, da sich Slava entrüstet kreischend verweigerte ihn kurzerhand aus dem See tragen.
Die 10 Tage Ferien waren natürlich nicht immer entspannt, denn jedes Kind hatte seinen eigen Charakter und dieser erforderte manchmal ganz besondere Aufmerksamkeit von den Freiwilligen. Trotz wenig Schlaf und dem Aushalten von einigen Wutanfällen, war das Lager eine wunderbare und sehr erholsame Zeit – vor Allem für die Kinder. Die Zusammenarbeit mit den begleitenden Pädagoginnen klappte erstaunlich gut und auch die Freiwilligen bildeten schnell ein Team, in dem man sich gut gegenseitig half, wenn jemand mal eine kleine Auszeit brauchte. [bild2]
Schon nach einigen Tag sah man „sein“ Kind mit anderen Augen, bemerkte Eigenarten und Vorlieben seines Kindes und bei den meisten entstand sehr schnell eine sehr innige Beziehung zwischen Freiwilligem und Kind. Jedes Kind bewohnte mit „seinem“ Freiwilligen ein Zimmer und wir teilten uns zu viert ein kleines Häuschen. Vom allmorgendlichen Aufstehen, Anziehen, Zähne putzen und zum Frühstückssaal laufen, über den gemeinsamen Mittagsschlaf und das zu Bett gehen und die ganzen Aktivitäten, waren wir immer zusammen und jedes Kind hatte seine Bezugsperson an der es sich orientierte.
Um die große Hitze einigermaßen aushalten zu können wurde besonders oft in dem Planschbecken hinter den Häusern gebadet, reichlich Kefir getrunken, sich ausgeruht, gemalt, gebastelt und leidenschaftlich Trampolin gesprungen.
Zwischen den ganzen Highlights stach ganz besonders das Basteln der Rasseln hervor. Während noch die einen ihre Rassel ganz gewissenhaft und peinlichgenau beklebten, rasselten einige schon wild nur mit der mit Sand gefüllten Plastikflasche herum und waren nicht mehr für die Verschönerung eben dieser zu bewegen.
Wir Freiwilligen hatten uns als Thema des Sommerlagers 2010 nämlich „Indianer“ überlegt und so waren alle Aktivitäten im weitesten Sinne mit den „Indianern“ verknüpft. Ganz zu Anfang malten wir z.B. gemeinsam unsere Flaggen, dann T-Shirt etc. und schließlich die besagten Rasseln und der eine oder andere war noch für Kopfschmuck und Armbändchen zu begeistern, wobei wir belustigt feststellten, dass dies besonders den Pädagoginnen gefiel.
Nach 10 wunderschönen Tagen in Nadezhda hieß es Abschied nehmen und schon am letzten Abend wollte trotz Stockbrot und Lagerfeuer keine richtig gute Stimmung aufkommen. Dima, der seinen liebevollen Spitznamen der „Teufel“ nicht umsonst inne hat war an diesem Abend besonders anhänglich und konnte seine Barbara (Freiwillige) gar nicht genug umarmen und über das Gesicht streicheln.
Tags darauf in Novinki war die Stimmung sowohl bei den Freiwilligen, als auch bei den Kindern gedrückt. Beim endgültigen Abschied voneinander auf den Stationen flossen viele Tränen und es kam uns falsch und äußerst merkwürdig vor unsere Kinder nach dem ganzen Erlebten einfach wieder ihrem grauen Heimalltag zu überlassen.