„Mit seinen 27 Jahren hat Artjom das Gewicht eines dreijährigen Kindes“

Warum 50 der Waisenkinder im Minsker Kinderheim nicht zunehmen

„Das ist unsere Vika. Sie ist 19 Jahre alt und wiegt 14,5kg, obwohl für ihr Alter eher 50 normal wären“ – der Kinderarzt Aleksej Momotov hebt vorsichtig die Decke mit dem Winnie Pooh-Aufdruck und zeigt das unnatürlich dünne Mädchen, das aussieht als sei es acht. Aleksej arbeitet im Minsker Heim für Kinder mit Behinderungen und Besonderheiten der psychischen und physischen Entwicklung, wo er jeden Tag Kinder wie Vika sieht. 50 zerbrechliche und genau so unnatürlich verformte Kinderkörper. Auf Menschen, die keine Eltern, ja noch nicht einmal ein Alter haben, denn ihr Alter im Pass stimmt nicht mit dem biologischen überein. Das wäre nur dann möglich, wenn alles sehr gut laufen würde: wenn diese Menschen Zugang zur notwendigen Ernährung und zu wenigstens 2-3 Spezialisten für Rehabilitation hätten. Aber bisher gibt es weder für die richtige Ernährung noch für die Ärzte das Geld in dieser staatlichen Einrichtung. Die Journalistin Jekaterina Sinjuk und der Fotograf Aleksander Vasjukovich haben im Heim einige Tage verbracht und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass alle diese Menschen ohne breitflächige Hilfe der Gesellschaft zu einem kurzen und leider qualvollen Leben verurteilt sind. Das Onlinejournal „Imena“ hat dem Heim geholfen, medizinische Untersuchungen der Bewohner mit einem in Belarus seltenen Gerät zu bewerkstelligen. Diese Untersuchungen finden momentan zum ersten Mal in der 45-jährigen Geschichte des Heims statt und sollen helfen zu verstehen, was in den Organismen der Waisen vor sich geht und wofür dem Staat bisher das Verständnis fehlt.

Wahrscheinlich hätten wir nie erfahren, dass es in Minsk einen Ort gibt, an dem 50 kleine und erwachsene Waisen einfach nicht an Gewicht zunehmen und dass viele von ihnen schrecklich verformt sind (und das nicht nur wegen ihrer angeborenen Krankheiten). Diese Einrichtung befindet sich so sehr am Stadtrand von Minsk, dass es den durchschnittlichen Bürger wohl kaum jemals hierher verschlagen würde. Wir haben davon erfahren als unser Journal „Imena“ über Facebook eine einfache, sogar etwas naive Pressemitteilung erhielt: Sehr geehrte Redaktion. Ich bin Arzt und organisiere im Heim für Kinder mit Behinderung in Minsk ein gemeinnütziges Fußball-Turnier. Alle Einnahmen und Spenden sollen verwendet werden, um enterale Zusatznahrung für unsere schwer körperbehinderten Kinder zu kaufen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, mehr Information im Anhang.

Die Nachricht kam von dem jungen Kinderarzt Aleksej Momotov. Dem Anhang war zu entnehmen, dass es sich um ein sehr interessantes Turnier handele, mit welchem 800 belarussische Rubel gesammelt werden sollen. Dieses Geld solle es dem Heim ermöglichen, die Nahrung zu kaufen, die für die Kinder lebenswichtig ist. „Es geht darum, dass Zusatznahrung sehr teuer, zugleich aber leider unverzichtbar für die schwerkranken Kinder ist. Ein Kind braucht pro Tag einen Liter dieser Nahrung. Wenn sie nur normale Nahrung bekommen nehmen die Kinder ab und erholen sich nicht“, erklärte Aleksej in seinem Schreiben.

– „Aleksej, wie kann das sein dass eure Kinder nicht die Nahrung bekommen, die für sie lebenswichtig ist?“ frage ich den Arzt.
– Verstehen Sie, unser Kinder bekommen die gleiche Nahrung, die auch normale gesunde Kinder in Kinderheimen bekommen, denn unser Heim wird normalen Kinderheimen in Belarus gleichgestellt. Nur sind unsere Kinder keine gesunden Waisenkinder sondern Kinder mit sehr schweren angeborenen Krankheitsbildern. Daher wird die normale Nahrung von ihnen einfach nicht verwertet, sie ist nicht geeignet für sie und wird daher oft einfach nach der Aufnahme unverdaut ausgeschieden. Daraus resultiert, dass die Kinder abnehmen, beziehungsweise nicht zunehmen können.
– Was bräuchten sie, um an Gewicht zuzulegen?
– Sie bräuchten eine zusätzliche enterale (kurative) Ernährung. Wenn sie die bekommen, fühlen sich die Kinder deutlich besser und nehmen zu.
– Diese Zusatznahrung ist für die Kinder also viel wichtiger als die normale Nahrung?
– Ja
– Und das Heim hat kein Geld dafür?
– Bei uns gibt es das nicht dass es etwas nicht gibt. Wir haben ein paar Beutel, aber sie reichen nur für eine Person und sind schnell aufgebraucht. Daher veranstalte ich dieses Turnier.
– Und der Staat hilft nicht?
– Nein
– Warum?
– Wahrscheinlich weil er auch kein Geld hat.

Nach kurzer Konversation in Facebook und anschließendem zweistündigem Treffen kristallisierte sich heraus, dass das Heim keineswegs nur symbolische 800 Rubel, sondern eher eine Milliarde pro Jahr braucht, damit aus den kleinen fremdartigen Insassen dieser Einrichtung Erwachsene mit normalem Gewicht und Aussehen heranwachsen können. Kein noch so interessantes Turnier, keine Fotos davon können diese Summen herbeischaffen. Nur durch eine breite Beteiligung von Medien, Gesellschaft und Beamten kann hier geholfen werden, daher sollen auf diesem Wege nun möglichst viele Menschen von den Problemen erfahren.

Kinderheim, Mitte Oktober 2016

An einem frühen Oktobermorgen zieht Aleksej Momotov seinen weißen Kittel an und führt uns durch das unauffällige gelb-weiße Gebäude. Seit 1971 steht das Heim hier, kaum sichtbar von der Straße aus wegen des hohen Zauns.

– „Wie soll ich das ausdrücken… zu uns kommen die Kinder um zu überleben. Von den meisten haben sich die Eltern schon vor der Geburt losgesagt. Sie kommen von überall her: aus Kinderheimen, Sonderschulen usw. Alle leiden unter einer schweren geistigen Retardierung in Kombination mit infantiler Cerebralparese (ICP) oder anderen angeborenen Fehlbildungen.“, erzählt Aleksej, während seine Kollegin, die stellvertretende Direktorin des medizinischen Teils Marina Leonidovna Fedorechnik Kittel, Schuhüberzüge und Mundschutze verteilt. Momentan leben im Heim insgesamt 127 Kinder (alle werden hier als Kinder bezeichnet, selbst die, die schon 33 Jahre alt sind). Auf einigen Stationen können die Kinder selbstständig oder mit Hilfe des Fachpersonals laufen, spielen, normal die Nahrung verstoffwechseln, die es im Heim gibt. Im großen und ganzen haben sie es den Umständen entsprechend gut. Aber 90 von ihnen sind schwer behinderte Kinder, die liegen. 5,10,15 oder sogar mehr als 20 Jahre lang. Liegend wachsen sie heran und werden erwachsen, nur an Gewicht nehmen sie nicht zu.

Kaum haben wir uns darauf eingestellt die Kinder zu sehen öffnet eine der Krankenschwestern die Tür und es verbreitet sich der Geruch von gebratenem Fleisch und etwas süß-saurem. Anscheinend wird in der Mensa gerade mit der Zubereitung des Mittagessens begonnen, aber der Arzt Aleksej hat dafür nur ein bitteres Lächeln übrig. Der Tatsache zum Trotz, dass er sich vor kurzem so verzweifelt bemüht hat, mithilfe eines Fußballturniers und der Aufmerksamkeit der Presse Spenden für Nahrung zu sammeln, riecht es hier absolut nicht nach der Nahrung, welche diese Kinder benötigen.

Als wir anfingen ihr diese Zusatznahrung zu geben hat sie sich beruhigt. Sie war wohl hungrig gewesen… Letztes Jahr ist Lenka gestorben.

Aleksej Momotov öffnet die Tür zu einem Zimmer und führt uns von Bett zu Bett, wobei er uns die Kinder mit Namen, Alter und Gewicht vorstellt: „Artjom, 18, 18,5 kg. Selbst bei seiner Größe von 1,50 sollte sein Gewicht 50kg sein. Nikita, 19, 13,8kg. Vadim, 13, 13,8kg. Ilona, 23, 15kg. Artjom, 27, 17,5kg.“

Wir öffnen die nächste Tür und sehen im kleinen ordentlichen Zimmerchen mit fünf Betten das gleiche Bild:

– „Das ist Vika. Obwohl sie schon 19 Jahre alt ist, ein erwachsenes Mädchen, wiegt sie nur 14,5kg. Dabei sollten es mindestens 50 sein. Sie hat keine Eltern. Praktisch die ganze Zeit liegt sie so da, seit zehn Jahren schon.“, erzählt Aleksej und führt seine Liste fort: „und das ist Julia. Julia ist schon seir 15 Jahren bei uns, zusammen mit ihrem Bruder, sie kommen aus einer Familie von Alkoholikern. Julia ist 20 Jahre alt und wiegt 11,5kg, dabei sollten es über 60 sein. Dieses Mädchen ist übrigens das Paradebeispiel für die ineffektive Ernährung mit unserer gewöhnlichen Nahrung. Du fütterst und fütterst sie und danach übergibt sie sich. Warum? Die Nahrung bleibt dort im Bauch einfach stehen. Das ist Vadim. Er ist 28 Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Gewicht 25kg. Vadim lebt schon seit 25 Jahren bei uns, seit er ganz klein war. Er bekommt viel mit, reagiert auf Menschen und auf Therapien und hat seinen Charakter: wenn ihm etwas nicht gefällt ist er beleidigt und fremdelt. Aber von Jahr zu Jahr wird er dünner. Wir haben angefangen, ihm enterale Zusatznahrung zu verabreichen und er hat sofort angefangen zuzunehmen. Aber jetzt haben wir diese Nahrung nicht mehr.“, wiederholt Aleksej Momotov verärgert und blickt zu Boden. „Und Artjom dort neben Vadim gehört auch zu denen, die dringend Zusatznahrung brauchen: 27 Jahre alt, 17kg. Dabei ist er doch schon ein Mann und müsste über 70 wiegen!

Vor drei Jahren“, erinnert sich Aleksej neben dem Bett eines Mädchens stehend, das sich von einer Seite auf die andere wirft und stöhnt, „kam ein österreichischer Arzt ins Heim, der, als er die Kinder sah, klar und deutlich erklärte was das Problem bei ihnen ist. Damals wurden die Kinder ausschließlich mit normaler Nahrung gefüttert. Er empfahl uns, ihnen enterale Zusatznahrung zu geben. Damals lebte bei uns die dünne Lenka, die ihren Kopf auf Tisch und Wände schlug. Sie hatte sogar blaue Flecken. Als wir anfingen ihr diese Zusatznahrung zu geben hat sie sich beruhigt. Sie war wohl hungrig gewesen… und wir hatten begonnen ihr das zu geben was sie brauchte. Damals war sie sieben oder acht Jahre alt. Letztes Jahr ist Lenka gestorben. Sie hatte Probleme mit dem Gastrointestinaltrakt.

Mittagessen

Während Aleksej Momotov uns durch die Zimmer führte ist es Zeit fürs Mittagessen geworden. Zwei stämmige Frauen tragen einen Karren in den zweiten Stock, auf dem das Essen aus der Mensa ist. Danach zu urteilen, wie die Kinder sich in ihren Betten wälzen und mit Händen und Füßen auf die Wände schlagen warten alle schon auf das Essen.
– „Sie haben Hunger. Nach ihnen kann man die Uhr stellen“, lächelt Aleksej.

Wenn bei uns ein Kind laut Ausweis 19 Jahre alt ist, in der Realität aber nur so viel wiegt wie ein 2,3-jähriges Kleinkind dann versteht man, dass diese Normen bei uns nicht passen.

„In normalen Kinderheimen stellen Spezialisten die Nahrungszielgrößen in Abhängigkeit von dem Alter zusammen. Sie gehen davon aus dass ein fünfjähriges Kind beispielsweise 200g Kasha (Getreidebrei) essen sollte, ein zehnjähriges das doppelte usw. All diese Vorgaben, die für normale Waisen erstellt werden, werden auch hier angewendet.

Aber wenn bei uns ein Kind laut Ausweis 19 Jahre alt ist, in der Realität aber nur so viel wiegt wie ein 2,3-jähriges Kleinkind dann versteht man, dass diese Normen bei uns nicht passen. Das Ergebnis: die meisten haben überhaupt kein subcutanes Fettgewebe. Das ist unnormal. Wenn ein Kind wächst muss es auf jeden Fall zunehmen. Es muss, verzeihen Sie, Fleisch und Haut auf den Knochen haben.“

– „Anja, mach den Mund auf, sag mal Aaaam“, die Pflegerin streckt ein Löffel mit Borsch einem 16-jährigen Mädchen (Gewicht 11kg) hin. Anja lebt seit sieben Jahren im Heim. Sie hat keine Eltern. Gierig schnappt sie nach Püree und Fleisch noch bevor die Pflegerin mit dem Löffel am Mund angekommen ist. Sie kommt gar nicht zum kauen, sondern muht beharrlich, was bedeutet, dass sie den nächsten Löffel haben will. Und wenn die Pflegerin einmal zu lange braucht wird das traurige Brüllen des Mädchens agressiv. Anjas Augen schauen nur in Richtung des Tellers. Anders kann sie ihre Bedürfnisse nicht zum Ausdruck bringen. Anja spricht nicht, läuft nicht und ihre Hände sind fast die ganze Zeit zu ihrer eigenen Sicherheit fixiert: das Mädchen hat die Angewohnheit sich regelmäßig selbst zu schlagen. Das passiert immer, wenn sie psychisch erregt wird. Und wenn die Zeit von Mittag- oder Abendessen naht (oder überhaupt irgendeine Essenszeit), regt sich Anja immer besonders auf.

– Alle Kinder, ob gesund oder krank, wollen essen… Und das, was wir ihnen geben essen die Kinder wie Sie sehen mit großem Vergnügen. Sie essen alles auf und verputzen sogar diese 700g. Aber wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis. Ich erinnere mich an einen Vorfall mit Vanja von der 4. Station. Er lag mal im Krankenhaus und bekam dort eine Ultraschalluntersuchung des Bauches. Wissen Sie wo sein Magen lag? Im Becken. Und warum? Weil die großen Mengen von Nahrungsmitteln, die wir füttern, den Magen dehnen. Aber wir können ja nicht einfach nicht füttern, wenn es eine Norm gibt.

– Und wo wird die enterale Zusatznahrung produziert, die helfen würde das zu verhindern?

– Das beste für unsere Kinder wäre hochkalorische Zusatzkost, die in den Staaten der EU und in Russland hergestellt wird. In Belarus wird auch welche produziert, aber die ist für uns nicht geeignet, weil sie nicht so viele Kalorien enthält. Daher setzen wir für gewöhnlich ausländische ein, die wir aus Spendenmitteln kaufen. Ohne die wird es schwer. Wir geben sie denen, die sie am nötigsten haben. Aktuell haben wir nur noch für eine Person die hochkalorische Nahrung. Da müssen wir auswählen, wer sie am nötigsten hat. Du gehst herum, guckst nach Gewicht, nach Decubiti, Hautfarbe usw. und verlässt dich auf deine Intuition.

Vanja lag mal im Krankenhaus und bekam dort eine Ultraschalluntersuchung des Bauches. Sein Magen lag im Becken. Weil die großen Mengen von Nahrungsmitteln, die wir füttern, den Magen dehnen.

„Aleksej, das erinnert an ein Experiment mit lebenden Menschen“, teile ich meine Gedanken mit dem Arzt.
– Es gibt im ganzen Land nur zehn solche Einrichtungen wie die unsere. Sie gehen unter zwischen den vielen anderen Kinderheimen und ehrlich gesagt weiß niemand, wie man diese Kinder richtig füttert. Hochkalorische enterale Kost stellt eine bedeutende Verbesserung dar, aber wie viel davon braucht jeder einzelne? Mit was kombiniert man sie am besten? Dieses Problem haben nicht nur wir in Belarus sondern auch die Kollegen in Russland und der Ukraine. Im Westen gibt man den Kindern enterale Ernährung, aber dort wird für jedes einzelne Kind ein Ernährungsplan entworfen. Bei uns werden solche Untersuchungen – eine Messung der tatsächlich benötigten täglichen Kalorienzahl – nicht durchgeführt. Dafür müssten wir mindestens einen Metabolograph kaufen, einen speziellen Apparat, mit dem man den basalen Stoffwechsel jedes einzelnen Kindes bestimmen kann. Ich hab gehört in Belarus gibt es keinen Metabolograph. Und wissen Sie wie viel er kostet? 20.000 Euro! Mit Zoll das doppelte. Woher sollten wir eine solche Summe nehmen?

Damit endete unser erster Tag im Heim. Einige Tage später kontaktierte mich Aleksej und teilte mir mit: „Ich habe etwas herausgefunden. Es gibt doch so einen Metabolograph in Belarus, im Verbund der Biatlethen. Wenn die ihn uns ausleihen würden für Untersuchungen… Irgendwie müsste man Kontakt aufnehmen mit Darija Domrachevoj. Helfen Sie mir?“

Dann ging alles sehr schnell. Der Sportjournalist Jura Michalevich vermittelte den Kontakt zu Darijas Mutter, Larissa Alekseevna. Wahrscheinlich dank ihr reagierte der Verbund schnell auf die Anfrage des Doktors. Nach einer formellen schriftlichen Anfrage stellte der Vorsitzende, Valerij Vakulchik sowohl Apparat als auch einen eigenen Arzt zur Verfügung.

– „Jekterina! Ihr Arzt war schon einen Tag bei uns und hat sich die Kinder angesehen und war ehrlich gesagt ziemlich beeindruckt. Wir haben schon mit den Untersuchungen begonnen!“, teilte mir Aleksej zwei Wochen später fröhlich telefonisch mit und wir verabredeten, uns noch einmal zu treffen.

Kinderheim. Untersuchungen

Ein Schrei auf Station 4. Es schreit Nikita, als Dmitrij Saveja (besagter Arzt von dem Verbund der Biatlethen) ihm eine Maske auf das Gesicht setzt. Sobald die Leitung ihre Einwilligung gegeben hatte war Dmitrij Saveja ins Heim gekommen und hatte sich über das Problem informiert. Er erklärt, dass, obwohl dieser teure Metabolograph, der einem Wahlscheibentelefon ähnelt, im Sport für komplett andere Ziele eingesetzt wird, er es dennoch erlaubt, über Messung von Ein- und Ausatmung durch Analyse der Atemgase Rückschlüsse auf die Vorgänge im Organismus des Kindes zu ziehen. Dafür muss das Kind 15 Minuten ruhig über eine Gesichtsmaske atmen. Daraus kann man ableiten, wie hoch der Energieverbrauch des Körpers ist, zum Beispiel durch die Verdauung. Basierend darauf können Dmitrij Saveja und Aleksej Momotov die optimale Nährstoffzusammensetzung für jeden einzelnen bestimmen und einen Ernährungsplan erstellen.

– „Einige Kinder sind ausgezehrt“, stellt Dmitrij Saveja fest. „Sie nehmen ab, nehmen nicht ihrem Alter entsprechend zu. Deswegen brauchen wir diese Untersuchungen, um festzustellen, warum das trotz der Ernährung mit normaler bis erhöhter Kalorienzahl so ist. Ich denke das hängt mit den Eigenschaften ihres Verdauungstraktes zusammen, mit der Unfähigkeit ihrer Organismen diese Substanzen zu verdauen.

– „Die Kinder sind sehr aufgeregt. Sie fürchten sich vor allem, sogar vor der Gesichtsmaske. Sie sind sensibel für wirklich alles. Leider atmen sie häufig sehr flach und das Gerät misst nicht richtig“, sorgt sich der daneben stehende Aleksej Momotov.

Um die Kinder ein wenig von ihrer Angst vor der blauen Maske abzulenken bringt Aleksej ein Spielzeug-Handy. Während Dmitrij die Maske hält und eine Pflegerin, sofern das Kind um sich schlägt, die Hände, hält Aleksej das Telefon an das Ohr des Kindes und klickt sich durch die Musik durch, bis das Kind eine ihm offensichtlich bekannte Musik vernimmt und sich beruhigt. Die 23-jährige Ilona zum Beispiel beruhigt sich erst, als Aleksej ihr das Lied „Mama soll das hören, Mama soll kommen“ anschaltet.

Dmitrij wischt sich den Schweiß von der Stirn und geht zum fünften Kind des heutigen Tages.

– „Ein anderes Nahrungskonzept ist notwendig.“, zieht er seine ersten Schlussfolgerungen, als er neben dem Bett von Artjom mit seinen streichholzdünnen Beinchen steht. „Die jetzige Ernährung ist sehr voluminös. Nötig wäre eine Nahrung mit mehr Kalorien und weniger Volumen.

Insgesamt werden 50 schwer behinderte aufgeregte Kinder untersucht. Einige Tage später kommt Dmitrij für den nächsten Teil der Untersuchungen.

Das Arztzimmer. Alexej Momotov und Marina Fedorentschik, stellvertretende Direktorin des medizinischen Teils, unterhalten sich mit uns

Alexej Momotov: Ja, diese Kinder kann man eigentlich schon nicht mehr heilen, weil ihre Erkrankungen unheilbar sind … Aber sie sind am Leben! Und deshalb stellt sich die Frage: Wie lange werden sie leben und wie. Deshalb ist unser Heim schon eher ein Hospiz als ein Kinderheim. Aber so wie sie jetzt leben leiden sie einfach, haben Schmerzen. Es wird ein großer Durchbruch, wenn wir diese Forschungsarbeit abschließen und jedem Kind einen Ernährungsplan, seine eigene Ration zusammenstellen…

Das zweite Unglück ist, dass die Kinder für den Großteil ihres Lebens liegen. Dadurch bilden die Muskeln sich zusätzlich zurück. Es braucht Spezialisten für Rehabilitation, aber die gibt es nicht.

Marina Fedorentschik: Wir verstehen ja selber nicht, worin sich unsere Einrichtung von dem Hospiz unterscheidet, das in Barawljani gebaut wurde. Außer in unseren Pflegesätzen und unserer Versorgung mit Ressourcen… Den Kindern im Hospiz wird natürlich mehr Aufmerksamkeit und Hilfe zuteil. Sowohl Rehabilitation als auch Aufsicht und ärztliche Versorgung rund um die Uhr.

Marina Fedorentschik, stellvertretende Medizindirektorin des Internats während der zweiten Visite der Kinderzimmer am Nachmittag

Alexej Momotov: Nachts gibt es hier gar keinen Arzt. Können Sie sich das vorstellen? Rund um die Uhr ist nur eine Krankenschwester auf dem Posten, die nicht befugt ist, den Kindern irgendwelche Medikamente zu verabreichen, selbst unter extremen Umständen. Sie kann nur künstlich beatmen und eine Herzdruckmassage vornehmen. Das war’s… Im nächsten Moment kommt dann der Anruf: „Einer ist gestorben.“ Immer wieder passiert das (ein Todesfall) entweder abends oder nachts, wenn wir schon nicht mehr da sind.

Deshalb ist Ernährung nicht das einzige Problem. Das zweite Übel liegt darin, dass die Kinder für den Großteil ihres Leben liegen. Dadurch bilden die Muskeln sich zusätzlich zurück. Damit das nicht passiert, bräuchte es jemanden für ihre Rehabilitation. Aber da wir vom Gesetzgeber als Kinderheim angesehen werden, bekommen wir keine Spezialisten für Rehabilitation sondern Erzieher.

Und tatsächlich: Im Heim sind, in Übereinstimmung mit dem Anstellungsplan, 34 Erzieher und kein einziger Rehabilitolog eingeplant.

Nikita, 19 Jahre alt, Gewicht: 13,8 kg

Alexej Momotov: Es gibt eine Stelle für einen Spezialisten für Heilsport, aber die ist nicht besetzt, da niemand hier für den geringen Lohn arbeiten will. Von medizinischer Seite gibt es einen Kinderarzt. Das bin ich. Dann noch Marina Leonidowna hier, die mich unterstützt. Und zwei Psychiater auf Teilzeit. Es gibt Krankenschwestern – für jede Station eine. Alle anderen sind Erzieher und Pflegerinnen, die nicht medizinisch ausgebildet sind.

Marina Fedorentschik: Wir haben keinen einzigen Masseur, obwohl viele unserer Kinder tägliche und nicht nur vereinzelte Massagen brauchen. Sie müssen morgens und abends massiert werden, sonst stagniert ihre Entwicklung und die Erkrankung ihres Bewegungsapparats schreitet fort. Bis hin zur vollständigen Lähmung.

Ohne Rehabilitation verwandelt das Kind sich mit den Jahren in den Buchstaben „S“.

Marina und Alexej führen uns nochmal durch die Zimmer.

Alexej Momotov: Das ist Alina, krumm wie ein Hufeisen. Vor ein paar Jahren noch war sie gerade. Die Verschlechterung geschieht sukzessiv. Ohne Rehabilitation verwandelt ein Kind sich mit den Jahren in den Buchstaben „S“. Stagnierende Prozesse finden in den Lungen statt, andauernde Lungenentzündungen. Wir behandeln und behandeln und sie entstehen immer und immer wieder. Mit der Zeit erreicht weniger Sauerstoff das Hirn. Es beginnt, schlechter zu arbeiten, und bei ihnen funktioniert es ja sowieso schon schlecht. Vor diesem Hintergrund baut das Nervensystem immer mehr ab. Und allmählich entwickelt sich ein Hirnödem.

Ein krummes Kind – das ist nicht nur äußerlich nicht schön. Diese Krümmung tut ihnen weh. Lungen, Herz… Wo sind sie bei ihnen in diesem Zustand? Alles verschiebt sich.

Wissen Sie, irgendwie wird alles schwieriger mit jedem Jahr … Wer hilft uns? Tja, das Kloster St. Elisabeth hilft. Sowohl mit Medikamenten als auch mit Freiwilligen. Die, die sich selbstständig bewegen, nehmen sie auf Ausflüge mit. An Festen bringen sie den Kindern Essen…

– Aber wie lange leben diese Kinder überhaupt? Und könnte man mit einer anderen Pflege ihre Lebensdauer verlängern? – frage ich Alexej.

Bei richtiger Pflege könnte man sie mit Sicherheit um ungefähr fünf Jahre verlängern. Und wenn man davon ausgeht, dass ein Baby zu uns kommt und ihm von klein auf sowohl ein Masseur und ein Spezialist für Rehabilitation als auch eine normale Ernährung garantiert werden, dann kann das seine Lebenserwartungen auch verdoppeln.

Als ich zum Arbeiten hierher gekommen bin, dachte ich am Anfang nur noch: „Mein Gott, was tue ich hier? Anderswo operieren Leute, retten Leben, und ich bin an diesem perspektivlosen Ort gelandet.“ Jetzt denke ich nicht mehr so. Diese Kinder werden geboren, das heißt, es gibt sie. Das ist ihr Leben. Sie sind in keiner Weise schlechter als wir. Vor ein paar Jahren sind wir nach Polen auf das Festival „Träume erfüllen sich“ gefahren. Nicht mit den Liegenden sondern mit denen, die geistig leicht bis moderat zurückgeblieben sind. Sieben Kinder sind gefahren, sogar einen Bus hat man uns zur Verfügung gestellt. Natürlich war es notwendig, sie zum sich Waschen zu nötigen, sie haben geweint, waren dafür aber sauber. Wie sie sich gefreut haben! Wir überquerten die Grenze, und sie benahmen sich vorbildlich. Viele unter ihnen, fiel mir auf, sogar besser als Gesunde. Aber auch hier bei uns sind 16,5 Jahre, und das ist der Mittelwert einer Lebenslänge im Heim, ein gutes Alter.

Direktor: Im Monat bezahlt die Regierung in der alten Währung 15 Millionen für ein Kind. Das ist eine ordentliche Summe.

Auch wenn man uns so nach und nach das Problem in diesem Heim erklärte, blieben viele Fragen offen. Wieso ist dieser Ort kein Hospiz. Wieso wird die für die Kinder benötigte Nahrung nicht staatlicherseits sichergestellt. Warum arbeiten hier so viele Erzieher, wenn die Kinder offensichtlich Mediziner brauchen. Wie kommt das zustande? Die Doktoren Alexej und Marina können das nur bis zu dem Grad erklären, zu dem sie es selber verstehen. Sie verstehen es so: Die Hospize, in denen so eine Art von enteraler Zusatznahrung den Kindern gegeben wird, fallen in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Gesundheitswesen. Daher sind die wichtigste Berufsgruppe in ihnen die Ärzte. Kinderheime wie dieses hingegen sind an das Ministerium für soziale Angelegenheiten gebunden. Teilweise zählen sie zu den Bildungseinrichtungen. Und in diesen Institutionen sind die wichtigsten Professionen Erzieher, Pfleger, Pädagogen…

Warum gerade die hier am stärksten benötigt sein sollten, weiß sogar der Direktor des Heims Valerij Siwzow nicht, der bereits seit sechs Jahren hier arbeitet.

Valerij Siwzow: Diese Idee (diese Art von Heimen in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministeriums statt des Ministeriums für soziale Angelegenheiten zu verlegen) schwebte schon mal in der Luft. Aber das Gesundheitsministerium hat rational abgewogen: „Unsere Aufgabe ist es, zu heilen.“ Es ist nicht möglich, unsere Zöglinge zu heilen. So gerne wir das wollten. Wenn es nicht möglich ist, zu heilen, wenn die Chancen, dass das Kind „normal“ wird, gleich null sind, dann kommt dieses Kind in der Regel zu uns. Es braucht nur Pflege. Und das Ministerium für soziale Angelegenheiten gewährleistet diese Pflege: Es gibt Pfleger, Erzieher, Krankenschwestern. Das ist das Prinzip der Aufgabenaufteilung. (In Hospize, wie die Ärzte später erklärten, kommen keine Leute mit ernsthaften angeborenen Krankheiten, sondern mit erworbenen, normalerweise onkologischen Erkrankungen. Darin liegt der Unterschied.)

Katerina Sinjuk: Aber 34 Erzieher und kein Experte für Rehabilitation. Ist das etwa normal?

V.S.: Das Bildungsgesetz missachten – und laut dem Gesetz sind wir genau dem unterstellt – kann ich nicht. Auf wessen Kosten soll ich Rehabilitologen einstellen? Es gibt vorgegebene Kategorien von Mitarbeitern, auf die ich (nach dem Gesetz) nicht den geringsten Einfluss habe. Im Gesetz heißt es, dass es keine Kinder mit Lernschwierigkeiten gibt, dass alle Kinder in Gruppen unterteilt werden sollen, jede Gruppe soll zwei Erzieher bekommen, um alle Stellen abzudecken. So ist das verteilt. Wir können einen Spezialisten für Rehabilitation hinzufügen, aber dann muss man entweder bei den Pflegerinnen oder den Krankenschwestern streichen. Aber sowohl die Pflegerinnen als auch die Krankenschwestern werden gebraucht.

K.S.: Und wieso lässt sich aus dem Budget keine enterale Zusatznahrung finanzieren?

V.S.: Enterale Zusatznahrung befindet sich heutzutage nicht auf der Liste der allerwichtigsten Dinge.(…) Ich habe keine Antwort auf die Frage, wieso das so ist. Wir werden im nächsten Jahr wieder versuchen, sie im Budget unterzubringen. (…) (Im Laufe des Gesprächs hatte der Direktor betont, dass sie regelmäßig versuchten, enterale Zusatznahrung im Budget aufzunehmen, diese Anträge aber wiederholt nicht genehmigt würden, weshalb es von Jahr zu Jahr nötig sei, nach Zuschüssen durch Sponsoren zu suchen – Anmerkung der Autorin). (…) Doch wir müssen nicht nur die vorhandenen Bedürfnisse, sondern auch die Möglichkeiten betrachten. (…) Wir müssen uns selber (das Heim als eine staatliche Einrichtung) nicht nur als Verbraucher eines Budgets, sondern auch als sein ‚Erfüller‘ ansehen. (…) Im Monat bezahlt die Regierung in der alten Währung 15 Millionen für ein Kind. Das ist eine ordentliche Summe. 15 Millionen gibt keine einzige Familie für ihr Kind im Monat aus, denke ich.

K.S.: Aber eine soziale Einrichtung wie die Ihre muss doch die Möglichkeit haben, ihr Budget aufzustocken, oder? Sie sind ja kein Unternehmen! Soziale Hilfe soll doch helfen, oder etwa nicht? Wenn man logisch auf all ihre Probleme schaut, dann sollten doch sowohl Ernährung als auch Rehabilitation in jedem Fall gesichert sein, und das abzudecken – das ist die Aufgabe des Staats.

V.S.: Ich bin davon überzeugt, dass das alles eintreten wird. Und dafür, dass das geschieht, muss eine gewisse Zeit vorüber gehen. Warum bewundern wir das deutsche, schwedische und das französische Sozialhilfesystem so sehr? Die älteste Einrichtung in Deutschland ist 250 Jahre alt. In Schweden gibt es solche Einrichtungen seit 300 Jahren. Sie sind diesen Weg Schritt für Schritt gegangen. Von Generation zu Generation. Bei uns in der Sowjetunion dagegen gab es keine Menschen mit Behinderung. Die kommunistische Gesellschaft war dermaßen „gut“, dass in ihr nicht einmal Kinder mit Behinderung geboren wurden … Ich selber war hier in dieser Einrichtung zum ersten Mal im Jahre 1989. Ich stand unter Schock. Wie war das überhaupt möglich – das, was ich hier sah? Damals gab es insgesamt einfach überhaupt nichts. Du hast die Tür geöffnet und die Kinder haben einfach herumgelegen und dir ist sofort der Geruch von Urin und Stuhl entgegen geschlagen. Dieser Geruch war überall. Man ist ihn nicht einmal losgeworden, wenn man nach Hause gefahren ist und geduscht hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, gab es an Fleischprodukten für die Kinder nur „das Fleisch des weißen Bären“. Also Schmalz. Wenn man das, was es damals gab, damit vergleicht, was es heute gibt – das ist wie Himmel und Erde.

Heute ist es bei uns so. Meine Arbeitserfahrung erlaubt es mir, Vergleiche zu ziehen. (…) Wir haben vor drei Jahren damit begonnen, diese enterale Zusatznahrung zu benutzen. Bis dahin haben sie ohne sie gelebt. Bis ein österreichischer Arzt gekommen ist und uns davon erzählt hat. Deshalb kann ich nur eines sagen: Mit der enteralen ist es deutlich besser. Die Kinder magern nicht ab und fühlen sich besser. Die Kinder verhalten sich anders. Im Wesentlichen ist diese Forschungsarbeit (mithilfe eines Metalobographen) ein ähnlicher Schritt nach vorne.

Kommentar von Anna Gortschakowa, der Direktorin des Kinderhospiz von Belarus: „Jetzt muss diesen Kindern spezielle hochkalorische Nahrung gegeben werden, zumindest einmal pro Tag.“

Diese Kinder sehen nicht nur so aus, weil sie krank sind, sondern auch, weil sie nicht richtig ernährt oder schlicht unterernährt werden. Das ist ein riesiges Problem, das gelöst werden muss. Diese Kinder sind schon an einem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück mehr gibt. Jetzt muss diesen Kindern spezielle hochkalorische Nahrung gegeben werden, zumindest einmal pro Tag. Diese Nahrung sollte für jedes einzelne untergewichtige Kind von einem Spezialisten ausgewählt werden. Und es sollte keinen Unterschied machen, ob es sich um ein unheilbar krankes Kind oder ein Kind nach einer Operation handelt. Im internationalen Vergleich zeigt sich eines: Eine Unterernährung, welche sich anhand des Verhältnisses verschiedener Parameter – Alter, Körpergröße, Gewicht usw. feststellen lässt. Diese Kinder brauchen zweifelsohne therapeutische Nahrung, aber solche Lebensmittel sind teuer. Deshalb sollte sie bei der Erstellung des Ernährungsbudgets eingeplant werden (…) Wir haben ein Gesetz (einen Beschluss des Gesundheitsministeriums), nach dem jedes dieser Kinder an eine Poliklinik gebunden sein und diese Ernährung vom Staat erhalten soll. Im Hospiz zum Beispiel erhalten die Kinder sie. Das Hospiz ist eine nichtstaatliche Einrichtung, aber unsere Kinder sind an Polikliniken angebunden und wir bestehen stets darauf, dass die Polikliniken ihnen die Nahrung verschreiben. Sie verschreiben belarussische, welche um einiges billiger ist und nicht für jeden passt, aber wenn sie passt, dann benutzen wir sie. Wenn nicht, dann erwerben wir von unseren Mitteln ausländische.

Wie sie im Heim das machen, kann ich mir nicht vorstellen. Sie haben dort nur einen Arzt, sind dafür voll mit Pädagogen. Im Hospiz haben wir einen Arzt auf neun Leute und uns scheint, dass wir nicht alles schaffen. Wir haben keine solche Menge von Pädagogen. Wir haben überhaupt keine Pädagogen. Es gibt Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Masseure für die Rehabilitierung, Sozialarbeiter, Psychologen. Die Kinder aus diesem Heim fallen genau wie die Kinder im Hospiz in eine Kategorie, für die Palliative Pflege angemessen ist. Die Maßnahmen sind dabei ausgerichtet auf die Aufrechterhaltung der Lebensqualität der Patienten mit schweren, unheilbaren Krankheiten. Um eine solche Pflege zu gewährleisten, müssen drei Ministerien miteinander kooperieren – das Gesundheitsministerium, das Ministerium für soziale Angelegenheiten und das Bildungsministerium. Aber in unserem Land gibt es da Probleme.

Welchen Ausweg sehe ich? Erstens muss man dringend Mittel sammeln und Nahrung erwerben, die dazu in der Lage ist, den Kindern aus diesem Zustand zu helfen. Weiter muss man erreichen, dass diese Kinder an irgendeine Poliklinik angebunden und untersucht werden, dass ihre Unterernährung diagnostiziert wird und dass ihnen über ihren gesetzlichen Betreuer, das Heim, dauerhaft enterale Nahrung verschrieben wird. Wir brauchen eine systematische anhaltende Unterstützung dafür, dass den Kindern für den Anfang 2-3 Rationen gewöhnlicher Nahrung komplett durch enterale ersetzt werden. Nur auf diese Art kann man versuchen, sie aus diesem Zustand zu bringen.

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