Schon in Jahren ohne Corona gibt es für Menschen mit Behinderungen, die in Minsk in Heimen leben, meist eine Winterquarantäne und dadurch lange Wochen ohne Besuch und ohne Ablenkung.
Die Corona-Pandemie hat die Isolierung und Einsamkeit der Bewohner*Innen noch einmal verschärft. Auch wenn wir daran nichts ändern können wollen wir gemeinsam mit euch aufmuntern, Lichtblicke nach Minsk schicken und in Kontakt bleiben. Daher wird Kanikuli e.V. dieses Jahr erstmalig eine Weihnachtspäckchen- Aktion starten.
Wie funktioniert es? • Wenn ihr Lust habt mitzumachen, kontaktiert uns unter weihnachtspost@kanikuli-ev.de. • Ihr bekommt einen Namen und Kontaktdaten einer Person aus dem Behindertenheim und dazu ein paar Informationen, was ihr so schenken könnt. • Ihr packt ein Päckchen und/oder schreibt einen Brief. Wenn ihr dabei Anregungen oder Übersetzungshilfen braucht, schreibt uns und wir helfen gerne. • Ihr schickt das Päckchen direkt nach Minsk oder zu unserer Sammelstelle. Von dort aus werden die Pakete gesammelt mit einem Hilfstransport des Vereins Tabea e.V. nach Belarus geschickt. • Wenn ihr eure Kontaktdaten angebt, könnt ihr euch vielleicht über eine Antwort freuen.
Wichtig: • Pakete werden vom Zoll geöffnet. Bitte alles daher so einpacken, dass der Zoll gut drankommt, ohne etwas kaputt zu machen. • Bitte nichts schnell Verderbliches einpacken. • Ihr könnt uns Pakete bis zum 15.12.2020 schicken. Die Adresse der Sammelstelle könnt ihr bei uns erfragen. • Für Fragen, Anregungen und um mitzumachen schreibt uns an weihnachtspost@kanikuli-ev.de
PS: Wer unsere Arbeit auch finanziell unterstützen möchte: Wir sammeln momentan Spenden speziell für die Corona-Hilfe in Belarus, um die Lage der Menschen in den Heimen zu verbessern. Mit dem Geld wird dringend benötigte Schutzausrüstung etc. angeschafft. Weitere Infos sind hier auf der Website unter der Rubrik „Corona“. Kontoinhaber: Kanikuli e.V. ,Bank: GLS Bank, IBAN: DE64 4306 0967 4018
„Wir führen unsere eigenen Berechnungen“ – Mitarbeitende einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung in Minsk melden kranke Ärzt*innen.
8.Mai 2020, Lyubov Kaspierovich
TUT.BY Der Ausbruch von COVID-19 in einem weiteren Heim wurde bekannt. Den Informationen zweier Quellen zufolge wurde das Coronavirus bei mehreren Mitarbeitenden des psychoneurologischen Internats Nr.3 in Minsk nachgewiesen. Laut einem der Ärzte sei es schwierig, die genaue Anzahl der Erkrankten unter den Bewohnenden zu bestimmen. Das Heim (PNI/psychoneurologisches Internat) Nr.3 für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen befindet sich in der Vygotsky-Straße im Mikrobezirk Novinki. Die ersten Fälle der Krankheit traten im April auf. Zunächst wurde nur eine Station geschlossen, in der etwa fünfzig Personen lebten. Inzwischen wurden auch die anderen Stationen geschlossen, erzählen Angestellte des Heims.
Seit April arbeiten die Heimmitarbeitenden nach einem neuen Arbeitsplan. Während früher in 12- und 24-Stunden-Schichten gearbeitet wurde, gehen die Mitarbeitenden derzeit für 14 Tage in die Schicht, sie arbeiten und leben zwei Wochen im Heim, ohne nach Hause zu gehen. Die Heim-Mitarbeitenden beendeten die erste zweiwöchige Schicht am 30. April. Vor Verlassen des Geländes wurden bei den Mitarbeitenden Tests auf das Coronavirus durchgeführt. Mindestens 20 von ihnen hatten ein positives Testergebnis, sagt einer der Gesprächspartner. Insgesamt waren rund 80 Personen im Dienst. „Diese Informationen sind inoffiziell. Da die Leitung keine Zahlen bekannt gibt, führen wir unsere Berechnungen selbst durch“, sagte ein Informant. Wie viele Erkrankte unter den Bewohnenden sind, wissen die Mitarbeitenden laut dem Mediziner nicht. Am 21. April nahmen sowohl Mitarbeitende als auch alle Bewohnenden Abstriche zur Untersuchung auf das Coronavirus, insgesamt waren es mehrere hundert. Die Ergebnisse seien ihm nicht bekannt. „Ich konnte durchsetzen, die Tests von den Mitarbeitenden zu Beginn oder Ende der Schicht zu erhalten.“ Es ist klar, dass es Krankheitsfälle unter den Bewohnenden gibt, da Ärzt*innen während einer zweiwöchigen Schicht nur bei der Arbeit infiziert werden konnten. Aber wie viele es sind, weiß niemand.
Einer Quelle zufolge war der erste Erkrankte ein Bewohner, der nach der Behandlung in einem Krankenhaus, in dem ein Fall des Coronavirus registriert wurde, ins Heim zurückkehrte. Momentan verläuft der Großteil der Krankheit symptomfrei. Wenn Symptome oder Komplikationen auftreten, werden die Betroffenen ins Krankenhaus eingeliefert. Laut einem der Gesprächspartner befinden sich mehr als 10 Bewohnende in Krankenhäusern. Zur Zeit arbeitet erfahrenes sowie junges medizinisches Personal mit individuellen Schutzausrüstungen. Die Gesprächspartner stellten fest, dass dieses ausreiche, „wenn sie rational eingesetzt werden“. Die Mitarbeitenden des Internats sollen in zwei Wochen in die nächste Schicht kommen. Sie können dies jedoch auch früher tun. Es gelang nicht, den Direktor des Internats Anatoly Varenik zu erreichen. Im Heim wurde erklärt, er befinde sich zurzeit im Urlaub, die stellvertretende Leiterin des medizinischen Dienstes hat kürzlich gekündigt. Auch Zhanna Romanovich, die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Beschäftigung und Sozialschutz des Exekutivkomitees der Stadt Minsk, konnte nicht erreicht werden.
In Belarus wurde ein offener Brief, der über die aktuelle Lage in den Heimeinrichtungen für Menschen mit Behinderung informiert, veröffentlicht. Wir bei Kanikuli e. V. haben uns entschieden, diesen Hilfeaufruf zu übersetzen.
COVID-19 PNI – Dringender
Aufruf den Internaten zu Helfen
Während einer Pandemie und dem Regime der Selbstisolation leiden die
schwächsten und verletzlichsten Bürger, diejenigen, die von anderen Menschen
abhängig sind am meisten. In Belarus leben viele Menschen mit Behinderungen in
Heimeinrichtungen: Verteilt sind ca. 18.000 Erwachsene und 1.400 Kinder auf
insgesamt 72 Heime für Erwachsene und 9 für Kinder. Unter ihnen sind viele
ältere Menschen mit chronischen Krankheiten, sowie Kinder und Erwachsene, die
eine Kombination aus mehreren schwerwiegenden Diagnosen haben.
Logischerweise sind diese Menschen sehr anfällig für Lungenentzündungen.
Verbunden mit ihren Erkrankungen und ihrer Lebensweiße ist der Mangel an einer
qualitativ hochwertigen Pflege nicht weniger ein Lebensrisiko, als das Virus an
sich.
Einige Internate haben 600-700 Einwohner, die Hälfte von ihnen haben nicht nur
Erkrankungen, sondern sind auch fortgeschrittenen Alters. Zudem ist die
überwiegende Mehrheit der Kinder, die in diesen Heimeinrichtungen leben,
Waisen.
Seit Beginn der Epidemie
wurden alle Institutionen unter Quarantäne gestellt. Jede Art von Besuchen,
Besprechungen und Übergaben sind verboten. Uns ist bewusst, dass bei Epidemien
die Verringerung der sozialen Kontakte und das Herstellen von Distanz eine
wichtige Maßnahme ist. Genauso unmöglich ist es jedoch, diese Maßnahmen in
Kinderheimen oder Internaten durchzusetzen, da Kinder und Erwachsene dort eng
aufeinander leben und eine große Anzahl von Menschen in einem Raum untergebracht
sind.
Die meisten Einrichtungen sind nach dem Korridorprinzip aufgebaut. Es gibt einen
langen Korridor und Krankenzimmer, in denen normalerweise zwischen 6 und 8
Personen, in manchen Fällen auch bis zu 20 Personen, leben. Die Angestellten
der Einrichtungen gehen zu ihrem Arbeitsplatz, in großen Einrichtungen sind das
täglich mehrere hundert Personen. Freiwillige, die Vertreter von
Drittorganisationen sind, dürfen die Einrichtungen nicht mehr betreten, aber
solche formellen Quarantänemaßnahmen reichten nicht aus.
Die Leitung des
Sozialbereiches beschloss, die Angestellten dieser Institutionen in den
Beobachtungsmodus zu versetzen, was bedeutet, dass sie in zweiwöchigen
Schichten arbeiten müssen, ohne in dieser Zeit den Arbeitsplatz verlassen zu
dürfen. Wir sind denjenigen Menschen sehr dankbar, die jetzt buchstäblich ihr
Leben und ihre Gesundheit riskieren um ihren Schützlingen beim Überleben zu
helfen. Wir danken den Kindermädchen, Pflegekräften, Erziehern,
Krankenschwestern, Ärzten, Küchenkräften, Wäschern und Wäscherinnen, all
diejenigen, die genug Menschlichkeit in sich gefunden haben, um einen
zweiwöchigen Dienst aufzunehmen.
Zurzeit haben wir Informationen über Infektionsherde in fünf Erwachsen und Kindereinrichtungen. Die Anzahl wird jeden Tag steigen.
Wie viele Menschen es
wohl sein werden, deren Leben, von der Gesellschaft unbemerkt, vorbei sein
wird? Wie viele Menschen werden wir dabei verlieren? Wie können wir sie mit
angemessener Hilfe versorgen? Wir wissen nicht, ob sie respektiert werden und
die gleichen Rechte beim Zugang zu medizinischer Hilfe haben.
Diese mutigen Menschen brauchen jetzt ganz besonders fachspezifische Mittel und Hilfen: Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Schutzbrillen und Schutzausrüstung für die tägliche Arbeit mit an Covid-19- Erkrankten. Sie brauchen Desinfektionsmittel, Sanitätsartikel, Müllbeutel für die gefährlichen Abfälle und vor allem kontaktlose Fieberthermometer. Auch Wasser, Lebensmittel und Hygieneartikel sind keine überflüssigen Produkte. Die normalen Handschuhe und Masken, die es in den Heimen gibt, helfen in der jetzigen Situation nicht und auch diese reichen nicht mehr. Und wenn dann die nächste Schicht angetreten wird, ist es möglich, dass niemand mehr da ist.
Uns ist schon die tragische Erfahrung aus Italien und Spanien bekannt. Dort hausen in den Altenheimen keine hundert, sondern weitaus weniger, und dieser Häuser wurden Orte des Massensterbens durch Coronavirus und unzureichender Pflege unter den Bedingungen der Epidemie. Wir, Vertreter gemeinnütziger Organisationen, Freiwillige, und einfach fürsorgliche Menschen, kennen persönlich viele Leute, die in Heimen leben und arbeiten. Wir sind uns sicher, dass die Mitarbeiter der Heime gerade alles tun, um Menschen zu retten. Aber ohne unsere Hilfe werden sie es nicht schaffen. Lasst uns zusammen alles tun, damit sich diese Tragödie bei uns nicht wiederholt.
Kanikuli e.V. bietet die Möglichkeit an, Spenden an die Initiatoren des Spendenaufrufs weiterzuleiten. Hierfür bitten wir Sie, als Verwendungszweck der Spende „COVID19PNI“ einzutragen.