Arbeit in den Heimen für Menschen mit Behinderungen in Minsk

Etwa 20.000 Menschen mit Behinderungen und mit „dauerhaften“ psychischen Erkrankungen leben in Belarus in staatlichen Heimen. Diese Heime sind oftmals große Einrichtungen mit bis zu 600 Bewohner*innen. Heime für Kinder sind mit bis zu 200 Kindern kleiner, je älter die Menschen werden desto größer werden die Einrichtungen. Die Struktur der Heime ist eher mit Krankenhäusern, denn mit Wohneinrichtungen vergleichbar. Menschen leben in festen Stationen, es gibt große Schlafsäle mit wenig bis keiner Privatsphäre.

Die Betreuungssituation in diesen Heimen ist unzureichend. Unausgebildete Pflegekräfte kümmern sich um Körperpflege, Nahrungsgabe und soziale Betreuung. Daneben müssen sie sich aber auch um die Organisation des Stationsablaufes und um Putzen, Kochen und Waschen kümmern. Sie sind oft stark unterbesetzt und arbeiten in aufreibenden 24-Stunden-Schichten. Pädagog*innen und Psycholog*innen gibt es wenige. Insgesamt verschlechtert sich die Betreuungslage für einen Menschen mit Behinderung, je älter er oder sie wird. Der Betreuungsschlüssel wird geringer und damit auch das Maß an Angeboten zur Beschäftigung und Förderung.

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Belarus hat im Jahr 2015 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet und 2016 auch ratifiziert. Seitdem gibt es von staatlicher Seite die Absichtserklärung die großen staatlichen Einrichtungen zu schließen. So werden beispielsweise in einigen Heimen Stationen eingerichtet, in denen Menschen weitestgehend selbstständig leben und ihren Alltag organisieren. Dabei befinden sie sich aber weiterhin auf dem Gelände der Heime und nehmen weiterhin nicht am Leben der Gesellschaft teil. Menschen mit Behinderung verlieren in Belarus mit Eintritt in ein Heim ihre Geschäfts- und Handlungsfähigkeit. Zur Ausübung eines Berufs und zum eigenständigen Leben ist diese jedoch unabdingbar. Laut staatlichem Beschluss müssen die Heime geeigneten Menschen ihre Geschäfts- und Handlungsfähigkeit wiedergeben. Da es jedoch an Maßnahmen zur Reintegration sowie geeignetem Wohnraum fehlt, passiert dieses nur selten.

Seit den neunziger Jahren arbeiten deutsche und belarussische Freiwillige in verschiedenen staatlichen Heimen für Kinder und erwachsene Menschen mit Behinderung in Minsk und unterstützen die Bewohner*innen in ihrem Alltag. Hierbei ist die Arbeit sehr vielfältig und erstreckt sich von Spazierengehen, Spielen und Fördern über Hilfe bei pflegerischen Tätigkeiten und Erledigen von Besorgungen bis hin zur Planung und Durchführung von Ausflügen, Projekten in den Heimen und Ferienfreizeiten.

Kanikuli e.V. verfolgt seit mehr als 10 Jahren die Veränderungen in den Heimen. Wir stellen fest, dass sich vieles getan hat. Es gibt, insbesondere in den Heimen für Kinder mit Behinderungen, mehr Personal und auch mehr materielle Ressourcen. Vielfach fehlt dabei weiterhin ein grundsätzlicher menschenwürdiger Umgang. Zwang, Einschränkungen der Selbstbestimmung und Vernachlässigung sind weiterhin Alltag in den Heimen. Aus diesem Grund unterstützen wir nicht die Heime finanziell, sondern führen Projekte durch, die direkt den Menschen aus den Heimen oder auch den Angestellten, die sie betreuen und damit indirekt auch wieder den Bewohner*innen zugute kommen.
Darüber hinaus unterstützen wir deutsche Freiwillige in ihrer Arbeit durch Betreuung und Supervision im Rahmen unseres Mentoring-Programms. Durch die Schaffung von Kanikuli-Freiwilligen-Stellen, auf die sich belarusische Engagierte bewerben können,versuchen wir die Arbeit lokaler und damit nachhaltiger zu gestalten.