Projektreise nach Bremen, Hamburg und Hannover

von Ruben Werchan


Zum Auftakt des Projekts „Gewöhnliche Eltern“ (Obyknovennye Roditeli) fand ein fünftägiges Treffen vieler am Projekt beteiligter Personen in Bremen statt. Aus Belarus waren Polina und Vadim von Verschiedene-Gleiche (Raznye-Ravnye) gemeinsam mit Olga, einer behinderten Mutter aus Vitebsk, und ihrem Sohn Pascha angereist. Von deutscher Seite nahmen Daniel, Arkadi und Ruben als Vertreter und Johanna als Vertreterin von Kanikuli e. V. und Jochen als Vertreter von Selbstbestimmt Leben Bremen e. V. am Treffen teil.


Mit dem Projekttreffen wurden zwei Ziele verfolgt. Zum Einen sollte die Detailplanung in persönlichen Gesprächen abgeschlossen werden und zum Anderen sollte durch den Besuch von deutschen Organisationen aus dem Bereich Selbsthilfe von behinderten Eltern sowie Treffen mit Behindertenselbsthilfeorganisationen generell ein Erfahrungsaustausch stattfinden. Zu diesem Zweck besuchten wir den Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern (BBE e.V.) in Hannover, die Mütterselbsthilfegruppe MCourage in Hamburg und Selbstbestimmt Leben Bremen. Zwischen diesen Treffen fanden immer wieder förmliche, aber selbstverständlich auch viele unförmliche Gespräche zwischen den Projektpartner statt, in denen jedes noch so kleine Detail des Projekts ausgiebig diskutiert und geklärt werden konnte. Gleichzeitig lieferten die Gespräche mit dem BBE und MCourage wichtige Einblicke in die Gründungsprozesse von Selbsthilfeorganisationen und die Situation in Deutschalnd. Sie hinterließen einen bleibenden Eindruck. So antwortete Olga auf die Frage, was sie den von den Treffen mitnehme, dass sie nun wüsste, worauf sie hinarbeiten kann.


Tatsächlich waren die Einblicke in die Selbsthilfe von behinderten Eltern, die die Gespräche lieferten, sehr unterschiedlich. Während der BBE vor allem bei Problemen in der Kommunikation mit staatlichen Stellen hilft, bietet MCourage eine Gesprächsplattform für persönliche Probleme und Fragen. Damit ist MCourage dem, was in Vitebsk aufgebaut werden soll, ähnlicher als der BBE, welcher wiederum interessante Einblicke zur rechtlichen Situation von behinderten Eltern in Deutschland liefern konnte. Diese ist für Belarussen vor allem deswegen interessant, weil sie natürlich auf der einen Seite wesentlich besser ist als in Belarus, andererseits aber immer noch weit von einem Idealzustand entfernt.


Mit Selbstbestimmt Leben wurde dagegen konkreter das aktuellen Projekt und seine Durchführung besprochen. Wobei wieder einmal betont wurde, dass die Behindertenarbeit in Belarus das Problem hat, unter anderen rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu arbeiten, als es in der BRD nach dem Krieg der Fall war. Diese Rahmenbedingungen erschweren die Arbeit in Belarus. Allerdings wurde auch festgestellt, dass in Anbetracht dieser Rahmenbedingungen eine Selbsthilfegruppe, in der sich einige wenige aktive Behinderte treffen, eine gute Arbeitsform sein kann, weil sie ohne eigene Räume und rechtlichen Status funktionieren kann und dadurch wenig Gefahr läuft, von staatlicher Seite Steine in den Weg gelegt zu bekommen.


Insgesamt war der Projektbesuch ein voller Erfolg. Der persönlihe Kontakt ermöglichte effektives Arbeiten, wodurch bereits viele wichtige Entscheidungen für die Durchführung des Projekts getroffen werden konnten. Auch über die Rollenverteilung im Projekte herrscht nun mehr Klarheit als vorher. Aber auch die konkrete inhaltliche Ausgestaltung wurde weit voran gebrachte, wobei vor allem der Erfahrungsaustausch mit den deutschen Selbsthilfeorganisationen hilfreich war. Nicht zuletzt wurde Olga als Vertreterin der Mütter aus Vitebsk in ihrer Entscheidung, die Selbsthilfegruppe zu gründen gestärkt und die Erfahrungen von denen er berichtet wurde, haben ihr noch einmal Mut gemachte. Nach den Treffen bestätigte sie dann auch: „Die Gespräche haben mir einen großen Ruck gegeben“.