Runder See 2020

Erfahrungsbericht von Marina Ivanova*

Die zehn Tage, die ich im integrativen Zeltlager „Runder See“ verbracht habe, haben meine Weltsicht und mein Bewusstsein stark verändert. Ich fange damit an, dass ich von der Freizeit völlig zufällig erfahren habe – ich habe in einem Telegram-Kanal eine Anzeige gesehen, dass nach Teilnehmer*innen gesucht wird. Diese Anzeige hat mich sehr interessiert, aber bevor ich die Anmeldung ausfüllte, entschied ich, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Mich hat sehr gefreut, dass das Zeltlager seit 1999 stattfindet. Außerdem erfuhr ich, dass das Seminarprogramm sehr intensiv ist und es keine Zeit zum Ausspannen gibt. Das heißt, wenn du Lust auf vielfältige, kreative und ungewöhnliche Aufgaben und Methoden hast, dann solltest du teilnehmen. Die Themen der Veranstaltungen werden Personen sehr nutzen, die lernen möchten, erfolgreich mit anderen zu interagieren. Hier erfährst du, was gewaltfreie Kommunikation ist und was es bedeutet, sich Ziele zu setzen, du verstehst, warum es wichtig ist, dich aktiv zu positionieren, lernst effektive Teambildung und erlebst Verantwortung und Achtsamkeit.

Wenn du bis hierhin gelesen und das Gefühl hast hast, dass das in deinem Leben fehlt und dass du dazu bereit bist, hier einzutauchen, dann habe ich ein paar Tips, wie du dir die Zeit im Zeltlager möglichst angenehm machst (wenn du zum ersten mal in ein Zeltlager fährst, dann wird das sehr nützlich sein):

  1. Einen Platz im Zelt, Schlafsack und Isomatte stellen dir die Organisator*innen, aber wenn du irgendwas davon besitzt, empfehle ich dir, es mitzubringen – im Wald ist kein Schlafsack und keine Isomatte zu viel (nach genau zwei Nächten haben meine Nachbarin und ich noch zwei zusätzliche Schlafsäcke genommen, weil es im Wald nachts sehr kalt ist) 🙂
  2. Falls du denkst, dass es eine dumme Idee ist, im Sommer warme Socken einzupacken, dann mach es nicht wie ich und nimm mehrere Paare mit – du wirst es nicht bereuen. 🙂 Und anstatt weiterer Shorts nimm lieber einen warmen Pullover mit.
  3. Stelle dir außerdem eine verantwortungsbewusste Hausapotheke zusammen. Statt Creme gegen Sonnenbrand nimm lieber ein Halsspray und Nasentropfen mit. Wenn du, wie ich, im normalen Leben Pulver wie „Teraflu“ mit Verachtung behandelst, so rate ich dir für das Zeltlager trotzdem, solche Hilfsmittel einzupacken. Bei Halsschmerzen kann man mit dem Tee gurgeln, den es immer zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt.

Übrigens, was das Essen angeht: Wenn du nicht wählerisch bist, dann wirst du ganz sicher nicht hungrig bleiben. Das Essen im Zeltager ist lecker, es gibt viel und manchmal sehr ungewöhnliche Gerichte. Außerdem werden Vegetarier*innen berücksichtigt, du brauchst dir also keine Sorgen machen, wenn du kein Fleisch isst.

Seelisch solltest du dich darauf vorbereiten, dass du sehr wenig freie Zeit zur Verfügung haben wirst. Aber wenn du eine Lerche bist, dann kannst du ein vor dem Frühstück ein paar Stunden abzweigen und wenn du eine Eule bist, dann nach dem Abendprogramm.

Ich bin beispielsweise zwischen 6 und 6.30 aufgewacht (egal, wann ich abends schlafen gegangen bin). Die freien Stunden habe ich dazu genutzt, über die Blaubeeren herzufallen, die direkt nebenan wachsen (wahrscheinlich sind es die besten Blaubeeren auf der Welt :)). Wenn du kein Blaubeerfan bist, dann kannst du morgens Gymnastik machen, duschen (solange es an der Dusche noch keine Warteschlange gibt) oder auf dem Steg meditieren. Und abends kannst du am Lagerfeuer sitzen, zur Gitarre Lieder singen, Spiele spielen oder über spannende Themen diskutieren.

Abschließend möchte ich sagen, dass dies psychologisch und intellektuell die aktivste Zeit meines Lebens war. Ich habe die komplette Bandbreite an Emotionen erlebt – von Empörung bis hin zu hemmungsloser Freude und Euphorie. Das einzigartige Bildungsprogramm hat alle meine Denkmuster erschüttert und ich habe täglich neue Einblicke erhalten. Diese Erfahrung war unglaublich und ich möchte sie wiederholen und die Veränderungen in mir festigen, die ich dort erfahren habe. Diese ungewöhnliche Ferienfreizeit erweitert die Komfortzone jeder Person, der nicht alles egal ist.

Außerdem bin ich dafür dankbar, dass ich wunderbare und inspirierende Menschen kennengelernt habe. Das Zeltlager „Runder See“ ist ein Ort für Menschen, die nach persönlichem Wachstum und innerem Wandel streben.



„Das Camp gibt einen Schub für Aktivität und Entwicklung.“
Was der „Runde See“ ist und warum es sich für Menschen mit Behinderung lohnt dorthin zu gehen

Hier ist der Link zum russischen Originalartikel

Datum: Donnerstag, 24. September, Verfasserin: Alexandra Kamko

Im Sommer für zehn Tage in den Wald zu gehen, um sich von der Routine abzulenken  und die eigenen vier Wände zu verlassen, ist eine gute Gelegenheit, welche die Organisation „Raznye-Ravnye“ („Verschiedene-Gleiche“) Menschen mit Behinderung bietet. Aber das ist lange nicht alles, was das Zeltlager und Integrations-Seminar „Runder See“ im Sommer zu bieten hat: neben Erholung und fröhlicher Gesellschaft durchlaufen die Teilnehmenden ein Bildungsprogramm, lernen in verschiedenen Situationen miteinander zu interagieren und andere zu akzeptieren, wie sie sind, ohne Konventionen und soziale Vorbehalte.

Die Hauptaufgabe ist es seine Komfortzone zu verlassen

Der „Runde See“ kann sicher als eine kleine Waldgemeinde bezeichnet werden, die nach ihren eigenen Gesetzen und Regeln lebt. Im Wald angelangt, wo vor der Ankunft der Teilnehmenden die Zelte, ausgestattet mit Küche, Speisesaal und improvisierter „Banja“ (Dampfbad), aufgestellt werden ist es schwer vorstellbar, dass es irgendwo außerhalb der Grenzen eine Zivilisation gibt. Das Camp „Runder See“ ist eine separate kleine Welt in der es schwierig ist, mit seiner Weltanschauung anzukommen und sie im Verlauf der folgenden zehn Tage nie zu hinterfragen und anzuzweifeln: Während der Workshops und im freien Umgang mit Menschen, mit denen einen vor ein paar Tagen absolut nichts verband, veranlasst einen etwas, bestimmte Aspekte des Lebens zu reflektieren und zu überdenken.

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Im Allgemeinen besteht eines der Hauptziele des „Runden Sees“ darin, Menschen mit Behinderung mehr Raum für Interaktion und Kommunikation zu geben, die Komfortzone etwas zu erweitern und einige Grenzen der Wahrnehmung zu überprüfen.
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Jede*r sollte Bewusstsein lernen, die Verteidigung seines Standpunkts, die Freiheit der eigenen Entscheidung. Und das Camp bietet diese Möglichkeit nicht nur aufgrund des engen Zusammenwirkens in einem großen Personenkreis, sondern auch unterstützt durch ein Bildungsprogramm.

Das Hauptthema des „Runden Sees 2020“ war die Annahme einer aktiven Haltung. Oft sind Menschen mit Behinderungen damit konfrontiert, dass die Wahl einer passiven Lebensweise unnötige Bewegungen erspart und die Entscheidungsfindung insgesamt erleichtert, da sie von anderen akzeptiert werden. Dann stellt sich die Frage der Verantwortung und der Bereitschaft, diese zu übernehmen. Das Format des „Runden Sees“ umfasst nicht nur die Bereitstellung des theoretischen Inputs: im Wald werden spontane Situationen geschaffen, in denen wir mit Ängsten und Komplexen konfrontiert werden und uns in Achtsamkeit üben.

Lebenserfahrung „Wald“

Zehn Tage lang durchlaufen die Teilnehmenden verschiedene Methoden, die auf die Bewältigung von Barrieren und Ängsten ausgerichtet sind. Das Bildungsprogramm „Runder See“ ist in beide Richtungen orientiert: Es zielt auf die soziale Anpassung von Menschen mit Behinderung und die Entwicklung von Empathie bei Menschen ohne Beeinträchtigungen ab. Vladimir Grabenets, Camp-Trainer und einer der Ersteller des Programms, sagt, dass die Methoden für alle Teilnehmenden des Camps nützlich sind: „Das Bildungsprogramm ist für beide Seiten konzipiert – sowohl für Menschen mit Beeinträchtigung als auch für diejenigen, die keine Beeinträchtigung haben.

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Menschen mit Beeinträchtigung sammeln die Erfahrung, in einer neutralen Umgebung mit verschiedenen Menschen zu in Kontakt zu treten, ihre Komfortzone zu verlassen und sich an Aktivitäten zu beteiligen.
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Die Teilnehmenden des Camps ohne Beeinträchtigung, sammeln Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung und lernen, sich in gewissen Situationen anders zu verhalten. Schließlich fangen sie an zu fühlen, dass Menschen mit Beeinträchtigung von Natur aus gleich sind wie sie – und hier werden Stereotypen zerstört, die Grenzen der Wahrnehmung verschwimmen leicht.“

Im Allgemeinen ist es interessant, wie viel von den beim „Runden See“ gewonnen Erfahrungen in das wirkliche Leben integriert werden kann. Natürlich entstehen beim Durchlaufen der Methode kapselartige und übertrieben Bedingungen. Zum Beispiel wurden die Teilnehmenden in Teams eingeteilt, strenge Regeln aufgestellt, zeitliche Einschränkungen gegeben.

„Es scheint mir, dass jene zehn Tage, die wir im Wald verbracht haben und welche in den aktiven Bildungsprozess involviert sind, eine Art Input sind. Wir säen in den Köpfen der Teilnehmenden sozusagen „Samenkörner“ und im Anschluss des Projekts wird es die Aufgabe von jeder*m sein, etwas in uns selbst zu entwickeln, oder eben nicht“, sagt Vladimir.

„Mit diesen Gefühlen kann man lernen zu leben“

Der auffälligste Aspekt des „Runden Sees“ ist das Verschwimmen sozialer Barrieren. Die enge Interaktion von absolut verschiedenen Personen führt dazu, dass die Merkmale in einem bestimmten Moment nicht mehr wahrnehmbar sind.

Tamara Voronko fuhr zum ersten Mal zum Sommerlager der Organisation „Raznye-Ravnye“. Und eines der Ziele der Reise war der Kontakt mit Menschen mit Behinderung: „Ich wollte eine andere Seite von mir entdecken, mich der Interaktion mit Menschen, die mir nicht ähnlich sind, stellen. Generell denke ich, dass der „Runde See“ für diejenigen, die keine Beeinträchtigungen haben, weitaus nützlicher ist: man lernt zu erkennen und wahrzunehmen. In einigen Situationen haben wir bestimmte Gefühle erlebt, und mit diesen Empfindungen kann man lernen zu leben. Du bist dir selbst begegnet und das nächste Mal wirst du wissen, wie du unter diesen oder jenen Umständen reagieren kannst.“


Im Rahmen des Seminarcamps sprechen wir über die Hindernisse, die die Interaktion junger Menschen mit und ohne Beeinträchtigung erschweren, überprüfen für uns die Arbeit der informellen Bildung, enthüllen die Geheimnisse der Teamarbeit und der effektiven Kommunikation.

Wir verstehen, wie passives Verhalten die Lebensqualität eines Menschen beeinflusst und warum es wichtig ist, aktiv zu sein.  Das Bildungsprogramm des Camps „Runder See“ beinhaltet Gruppentrainings, Diskussionen, Rollenspiele, Simulationen, Forumtheater und vieles mehr.

Im Camp „Runder See“ kann man lernen:

  • Menschen so zu akzeptieren, wie Sie sind, Vorurteile und Konventionen zu vermeiden
  • Das Potential jeder Person während der Teamarbeit zu maximieren
  • Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen seiner Handlungen zu erkennen
  • Konfliktsituationen zu lösen, indem man sie in eine neue nützliche Erfahrung verwandelt
  • Seine Meinung zu äußern und offen die Initiative zu ergreifen
  • Seine Freizeit selbst zu organisieren

Menschen mit Behinderung beim „Runden See“ fühlen sich entspannt, weil sich im Laufe der Jahre nicht nur eine eigene Gruppe, sondern auch ein angenehmes Mikroklima gebildet hat.

Alexander Klevez fährt seit 2012 ins Sommerlager, mit zwei Pausen. Alexander sagt, dass jede Reise zum „Runden See“ eine neue Erfahrung bietet – manchmal gut, manchmal schlecht – die es im Allgemeinen ermöglicht, sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln und persönlich zu wachsen: „Natürlich, ich gehe ins Lager, um neuen Leuten zu begegnen, aber das war nur eine Art Ausgangspunkt für weitere Erkenntnisse. Der erste „Runde See“ gibt Impulse für Aktivität und Entwicklung. Nach meiner ersten Reise im Jahr 2012 verbrachte ich einen ereignisreichen Sommer. Wir sind in die Ukraine gefahren, dann nach Ungarn. Wir begannen verschiedenen Seminare und Treffen zu besuchen. Ich selbst spürte, wie schnell ich begann meine Komfortzone zu verlassen.“

P. S. Bei der Fahrt ins Lager „Runder See“ geht es um soziale Anpassung und Kontakt ohne Konventionen. Weiter gefasst geht es um die Bewältigung von Ängsten, die in verschiedenen Lebensphasen auftreten, und dabei nicht immer um Behinderung. Das zehntägige Sommerlager bietet die wirklich seltene Gelegenheit, vertrauter Umgebung und Umfeld zu entfliehen, um sich vom Gedankengut zu abstrahieren, das nicht immer gerechtfertigt ist, aber in der Alltagsperspektive relevant scheint.

Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie eine finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.

*Name geändert

Proteste in Belarus

Facebook-Fotos von Menschen aus belarusischen Behindertenheimen

Liebe Freund*innen, Unterstützer*innen und Interessierte,

häufig stehen wir in einem Konflikt, wenn wir uns zu politischen Themen in Belarus äußern und damit unsere Arbeit aufs Spiel setzen und unsere Partner*innen gefährden. Doch zu der aktuellen Situation in Belarus möchten wir von Kanikuli e. V. sowie die Heimbewohner*innen mit denen wir arbeiten (s. Fotos (Quelle: facebook)) nicht schweigen. Die seit Jahren anhaltenden Wahlfälschungen und Repressionen gegen die Opposition wurden in diesem Jahr weiter auf die Spitze getrieben. Es gibt brutale Gewalt durch Polizei und Militär gegen massenhafte, weitestgehend friedliche Protestierende. Viele Menschen wurden schwer verletzt, einige sind gestorben, tausende wurden bereits inhaftiert. Es gibt Streiks und kreativen Protest. Wir unterstützen belarussische Bürger*innen in ihrem Streben nach gerechteren Wahlen. Wir rufen dazu auf auch in Deutschland und der EU diesen Kampf zu unterstützen.

Wenn auch ihr etwas tun wollt, dann zum Beispiel:

* Euch und Eure Freund*innen informieren, z. B. mit diesem Life-Blog https://meduza.io/en oder durch deutsche Übersetzungen auf https://www.dekoder.org/ oder unserer ehemaligen Freiwilligen K. auf arte https://www.arte.tv/en/videos/RC-020002/belarus-diary-of-a-revolution/

* diese Petition unterschreiben https://weact.campact.de/petitions/solidaritat-fur-belarus

* Geld für Opfer spenden www.belarus97.pro<http://www.belarus97.pro/>

* mit einer lokalen Gruppe eine Demo organisieren oder an Kundgebungen teilnehmen (wir vermitteln gerne Kontakte)

Postkarten gegen die Einsamkeit

PS: Wer unsere Arbeit auch finanziell unterstützen möchte: Wir sammeln momentan Spenden speziell für die Corona-Hilfe in Belarus, um die Lage der Menschen in den Heimen zu verbessern. Mit dem Geld wird dringend benötigte Schutzausrüstung etc. angeschafft. Weitere Infos sind hier auf der Website unter der Rubrik „Corona“.
Kontoinhaber: Kanikuli e.V. ,Bank: GLS Bank, IBAN: DE64 4306 0967 4018

Den Flyer gibt es auch als PDF zum Download:

…die ersten Karten sind auch schon eingegangen, so kann das Ganze dann am Ende aussehen.

Corona im Erwachsenenheim in Novinki

„Wir führen unsere eigenen Berechnungen“ – Mitarbeitende einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung in Minsk melden kranke Ärzt*innen.

Фото: Ксения Голубович

8.Mai 2020, Lyubov Kaspierovich

TUT.BY Der Ausbruch von COVID-19 in einem weiteren Heim wurde bekannt. Den Informationen zweier Quellen zufolge wurde das Coronavirus bei mehreren Mitarbeitenden des psychoneurologischen Internats Nr.3 in Minsk nachgewiesen. Laut einem der Ärzte sei es schwierig, die genaue Anzahl der Erkrankten unter den Bewohnenden zu bestimmen.
Das Heim (PNI/psychoneurologisches Internat) Nr.3 für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen befindet sich in der Vygotsky-Straße im Mikrobezirk Novinki.
Die ersten Fälle der Krankheit traten im April auf. Zunächst wurde nur eine Station geschlossen, in der etwa fünfzig Personen lebten. Inzwischen wurden auch die anderen Stationen geschlossen, erzählen Angestellte des Heims.

Seit April arbeiten die Heimmitarbeitenden nach einem neuen Arbeitsplan. Während früher in 12- und 24-Stunden-Schichten gearbeitet wurde, gehen die Mitarbeitenden derzeit für 14 Tage in die Schicht, sie arbeiten und leben zwei Wochen im Heim, ohne nach Hause zu gehen. 
Die Heim-Mitarbeitenden beendeten die erste zweiwöchige Schicht am 30. April. Vor Verlassen des Geländes wurden bei den Mitarbeitenden Tests auf das Coronavirus durchgeführt. Mindestens 20 von ihnen hatten ein positives Testergebnis, sagt einer der Gesprächspartner. Insgesamt waren rund 80 Personen im Dienst. 
„Diese Informationen sind inoffiziell. Da die Leitung keine Zahlen bekannt gibt, führen wir unsere Berechnungen selbst durch“, sagte ein Informant.
Wie viele Erkrankte unter den Bewohnenden sind, wissen die Mitarbeitenden laut dem Mediziner nicht. Am 21. April nahmen sowohl Mitarbeitende als auch alle Bewohnenden Abstriche zur Untersuchung auf das Coronavirus, insgesamt waren es mehrere hundert. Die Ergebnisse seien ihm nicht bekannt.
„Ich konnte durchsetzen, die Tests von den Mitarbeitenden zu Beginn oder Ende der Schicht zu erhalten.“ Es ist klar, dass es Krankheitsfälle unter den Bewohnenden gibt, da Ärzt*innen während einer zweiwöchigen Schicht nur bei der Arbeit infiziert werden konnten. Aber wie viele es sind, weiß niemand.

Einer Quelle zufolge war der erste Erkrankte ein Bewohner, der nach der Behandlung in einem Krankenhaus, in dem ein Fall des Coronavirus registriert wurde, ins Heim zurückkehrte. 
Momentan verläuft der Großteil der Krankheit symptomfrei. Wenn Symptome oder Komplikationen auftreten, werden die Betroffenen ins Krankenhaus eingeliefert.
Laut einem der Gesprächspartner befinden sich mehr als 10 Bewohnende in Krankenhäusern. 
Zur Zeit arbeitet erfahrenes sowie junges medizinisches Personal mit individuellen Schutzausrüstungen. Die Gesprächspartner stellten fest, dass dieses ausreiche, „wenn sie rational eingesetzt werden“.
Die Mitarbeitenden des Internats sollen in zwei Wochen in die nächste Schicht kommen. Sie können dies jedoch auch früher tun.
Es gelang nicht, den Direktor des Internats Anatoly Varenik zu erreichen. Im Heim wurde erklärt, er befinde sich zurzeit im Urlaub, die stellvertretende Leiterin des medizinischen Dienstes hat kürzlich gekündigt.
Auch Zhanna Romanovich, die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Beschäftigung und Sozialschutz des Exekutivkomitees der Stadt Minsk, konnte nicht erreicht werden.

COVID-19 PNI – Dringender Aufruf den Internaten zu Helfen

#Dort gibt es Menschen, dort gibt es das Coronavirus

In Belarus wurde ein offener Brief, der über die aktuelle Lage in den Heimeinrichtungen für Menschen mit Behinderung informiert, veröffentlicht. Wir bei Kanikuli e. V. haben uns entschieden, diesen Hilfeaufruf zu übersetzen.

COVID-19 PNI – Dringender Aufruf den Internaten zu Helfen

Während einer Pandemie und dem Regime der Selbstisolation leiden die schwächsten und verletzlichsten Bürger, diejenigen, die von anderen Menschen abhängig sind am meisten. In Belarus leben viele Menschen mit Behinderungen in Heimeinrichtungen: Verteilt sind ca. 18.000 Erwachsene und 1.400 Kinder auf insgesamt 72 Heime für Erwachsene und 9 für Kinder. Unter ihnen sind viele ältere Menschen mit chronischen Krankheiten, sowie Kinder und Erwachsene, die eine Kombination aus mehreren schwerwiegenden Diagnosen haben.

Logischerweise sind diese Menschen sehr anfällig für Lungenentzündungen. Verbunden mit ihren Erkrankungen und ihrer Lebensweiße ist der Mangel an einer qualitativ hochwertigen Pflege nicht weniger ein Lebensrisiko, als das Virus an sich.
Einige Internate haben 600-700 Einwohner, die Hälfte von ihnen haben nicht nur Erkrankungen, sondern sind auch fortgeschrittenen Alters. Zudem ist die überwiegende Mehrheit der Kinder, die in diesen Heimeinrichtungen leben, Waisen.

Seit Beginn der Epidemie wurden alle Institutionen unter Quarantäne gestellt. Jede Art von Besuchen, Besprechungen und Übergaben sind verboten. Uns ist bewusst, dass bei Epidemien die Verringerung der sozialen Kontakte und das Herstellen von Distanz eine wichtige Maßnahme ist. Genauso unmöglich ist es jedoch, diese Maßnahmen in Kinderheimen oder Internaten durchzusetzen, da Kinder und Erwachsene dort eng aufeinander leben und eine große Anzahl von Menschen in einem Raum untergebracht sind.

Die meisten Einrichtungen sind nach dem Korridorprinzip aufgebaut. Es gibt einen langen Korridor und Krankenzimmer, in denen normalerweise zwischen 6 und 8 Personen, in manchen Fällen auch bis zu 20 Personen, leben. Die Angestellten der Einrichtungen gehen zu ihrem Arbeitsplatz, in großen Einrichtungen sind das täglich mehrere hundert Personen. Freiwillige, die Vertreter von Drittorganisationen sind, dürfen die Einrichtungen nicht mehr betreten, aber solche formellen Quarantänemaßnahmen reichten nicht aus.

Die Leitung des Sozialbereiches beschloss, die Angestellten dieser Institutionen in den Beobachtungsmodus zu versetzen, was bedeutet, dass sie in zweiwöchigen Schichten arbeiten müssen, ohne in dieser Zeit den Arbeitsplatz verlassen zu dürfen. Wir sind denjenigen Menschen sehr dankbar, die jetzt buchstäblich ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren um ihren Schützlingen beim Überleben zu helfen. Wir danken den Kindermädchen, Pflegekräften, Erziehern, Krankenschwestern, Ärzten, Küchenkräften, Wäschern und Wäscherinnen, all diejenigen, die genug Menschlichkeit in sich gefunden haben, um einen zweiwöchigen Dienst aufzunehmen.

Zurzeit haben wir Informationen über Infektionsherde in fünf Erwachsen und Kindereinrichtungen. Die Anzahl wird jeden Tag steigen.

Wie viele Menschen es wohl sein werden, deren Leben, von der Gesellschaft unbemerkt, vorbei sein wird? Wie viele Menschen werden wir dabei verlieren? Wie können wir sie mit angemessener Hilfe versorgen? Wir wissen nicht, ob sie respektiert werden und die gleichen Rechte beim Zugang zu medizinischer Hilfe haben.

Diese mutigen Menschen brauchen jetzt ganz besonders fachspezifische Mittel und Hilfen: Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Schutzbrillen und Schutzausrüstung für die tägliche Arbeit mit an Covid-19- Erkrankten. Sie brauchen Desinfektionsmittel, Sanitätsartikel, Müllbeutel für die gefährlichen Abfälle und vor allem kontaktlose Fieberthermometer. Auch Wasser, Lebensmittel und Hygieneartikel sind keine überflüssigen Produkte. Die normalen Handschuhe und Masken, die es in den Heimen gibt, helfen in der jetzigen Situation nicht und auch diese reichen nicht mehr. Und wenn dann die nächste Schicht angetreten wird, ist es möglich, dass niemand mehr da ist.

Uns ist schon die tragische Erfahrung aus Italien und Spanien bekannt. Dort hausen in den Altenheimen keine hundert, sondern weitaus weniger, und dieser Häuser wurden Orte des Massensterbens durch Coronavirus und unzureichender Pflege unter den Bedingungen der Epidemie. Wir, Vertreter gemeinnütziger Organisationen, Freiwillige, und einfach fürsorgliche Menschen, kennen persönlich viele Leute, die in Heimen leben und arbeiten. Wir sind uns sicher, dass die Mitarbeiter der Heime gerade alles tun, um Menschen zu retten. Aber ohne unsere Hilfe werden sie es nicht schaffen. Lasst uns zusammen alles tun, damit sich diese Tragödie bei uns nicht wiederholt.

von Olga Dominichevich

Die Initiatoren des Spendenaufrufsund die Verantwortlichen für ihre effektive Verwendung treten hier auf:
PPU „Büro für Rechte von Menschen mit Behinderungen“
CBU „Est Delo“ (Es gibt Arbeit)


Kanikuli e.V. bietet die Möglichkeit an, Spenden an die Initiatoren des Spendenaufrufs weiterzuleiten. Hierfür bitten wir Sie, als Verwendungszweck der Spende „COVID19PNI“ einzutragen.

Kontoinhaber: Kanikuli e.V.
Bank: GLS Bank
IBAN: DE64 4306 0967 4018 4596 00
BIC: GENODEM1GLS

Hier eine Übersicht, mit welchen Kosten man momentan rechnen kann, wenn man in Belarus die benötigte Schutzausrüstung besorgen möchte.

– Infrarot-Thermometer, 1 Stück – 100€
– Desinfektionsmittel für Oberflächen, Konzentrat, 5 Liter – 35€
– Wiederverwendbarer Schutzoverall, 1 Stück – 25€
– Ellenbogenspender, 1 Stück – 20€
– Einweghandschuhe, Nitril, schwarz, 50 Paar – 12€
– Händedesinfektionsmittel, 1 Liter – 5€
– Schutzmaske mit Luftfilter, 1 Stück -3,5€
– Schutzmaske, 1 Stück – 0,4€

Unter dem Zeichen des Regens und des Bibers: Die Freizeit für Erwachsene 2019

von… einer Teilnehmenden Person

Die Ferienfreizeiten im Herbst haben ihren eigenen Charm: das Gold der Blätter, der Panoramablick und eine Menge Magie. Ja, und natürlich Regen, der oft die Pläne verändert.

Man kann aber zu Hause bleiben und Blinis (Pfannkuchen) backen, ganz viele Blinis. Das haben wir auch gemacht. Außer Blinis haben wir eine Torte und Hafermuffins gebacken, Spaghetti mit Rosmarin, Borschtsch und viele andere leckere Sachen zubereitet.

Wir wollten uns so gerne den Biberdamm anschauen. Wegen dem Regen mussten wir aber zu Hause bleiben und erkundigten uns theoretisch über das Leben der Biber. Wir zeichneten ein Biberhaus und die Biber selbst. Wir dachten uns eine Geschichte aus und schauten einen Trickfilm, der aber nicht besonders spannend war.

Wir lernten viel darüber, wie viel Müll es auf unserem Planeten gibt, und sammelten ein bisschen Plastik im Wald. (Unser Wald ist ziemlich sauber.) Wir haben erfahren, wenn Plastik ins Wasser kommt, ist es sehr schlecht.

Als wir auf einem der Spaziergänge waren, bestiegen wir einen Berg. Genauer gesagt, viele von uns haben den steilen Aufstieg geschafft. Auf diese Weise lernten wir Bergsteigen kennen. 

Wir lernten, dass man im Laden keine Plastiktüten nehmen sollte und es besser ist, wenn man stattdessen Stofftaschen nutzt. Aus diesem Grund nähten wir zusammen eine große Einkaufstasche. Einige von uns lernten nähen oder versuchten zum ersten Mal, eine Nähmaschine zu bedienen. Wir nähten noch zwei Kissen.

Wir machten auch einen botanischen Spaziergang und lernten Drosselbeere, Spindelsträucher, Eberesche und wilde Astern, Pappel und pappelartige Akazie zu unterscheiden.

Wir sammelten auch Hagebutte und machten Ketten daraus. Aus der Paprika, die wir im Treibhaus sammelten, machten wir auch Ketten.

Wir tanzten orientalische Tänze, machten aber morgens nicht immer Sport.

Und noch machten wir Masken aus Stroh und bastelten Waldgeister. Dazu haben wir eine Foto-Geschichte gemacht, die Sie sich anschauen können. Vielleicht ist sie etwas düster, aber der Herbst ist auch manchmal düster. 

Vielen Dank an alle Teilnehmer*innen der Ferienfreizeit, insbesondere an Aleksandra.

Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie eine finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.

Runder See 2019

von Svetlana Matiuk

Das Sommerlager ist wie ein kleines Leben… Alles, was hier passiert war, war besonders und einzigartig. Alle Emotionen und Gefühle waren echt. Alle Tage waren so intensiv, dass ich in diesen 10 Tagen genau so viel erlebte, wie in den 4 Jahren meines Studiums. Es hat mir gut gefallen, an dem inklusiven Zeltlager „Runder See“ teilzunehmen. Hier fand Aktivierung und Integration junger Menschen statt. Hier verändern sich Menschen.

Die Zeit im Sommerlager ist nicht nur Erholung, sondern auch unterschiedliche pädagogische Spiele, die viele Lebenssituationen, Meinungen und Assoziationen der Menschen widerspiegeln. Wir nahmen an verschiedenen pädagogischen Veranstaltungen teil und verbrachten unsere Zeit mit Spaß und Nutzen. Wir haben gelernt, in einem Team zu arbeiten, in dem jeder Mensch wichtig ist. Wir haben Rollen ausprobiert und erlebt, wie Vorurteile funktionieren. Wir versuchten, in  Situationen richtige Entscheidungen zu treffen. Wir waren ganz oben und ganz unten im wörtlichen und übertragenen Sinne. Intensive Zusammenarbeit bei den pädagogischen Aktivitäten hat uns geholfen, die anderen und uns selbst besser zu verstehen. 

Wir haben in einem Wald gewohnt. Das war sehr spannend. Wir konnten Beeren und Pilze sammeln und die Natur genießen, uns damit heilen. Wir haben in Zelten geschlafen. Ich habe nie gefroren, obwohl es draußen überwiegend kalt war. (Es gibt aber kein schlechtes Wetter) Es war ungewöhnlich, sich im kalten Wasser zu waschen. Ich fand es spannend und bin nicht krank geworden. Mein Immunsystem ist nur stärker geworden. Wir erfüllten unterschiedliche Aufgaben und hörten einander zu. Wir wollten etwas Neues erleben und lernen, daran konnte uns kein Regen hindern. Als es regnete, wechselten wir in das große Zelt und bewegten uns weiter zum Ziel. Mir blieb das Essen in Erinnerung, das die Freiwilligen am Feuer gekocht hatten. Es war immer lecker und reichte für alle. Jeden Tag gab es andere Gerichte. Vielen Dank für den unglaublichen Tee, der mit Liebe und nicht nur gekocht wurde.

Es wurden wunderschöne Lieder am Lagerfeuer gesungen. Egal wie stimmig es war, es wurde trotzdem eine schöne Atmosphäre geschaffen. An diesem Ort haben sich unsere Seelen geöffnet. Hier versucht man alles zu machen und hat keine Angst, dass etwas nicht klappt. Man weiß, man sammelt Erfahrungen. Jeder Mensch im Sommerlager war wichtig. Alle zusammen und jeder einzelne waren besonders und werden in Erinnerung bleiben.

Dank dem Sommerlager versteht man, dass man sein Leben noch besser gestalten kann. Wir haben uns hier nie gelangweilt und jeden Tag neue Aufgaben und Emotionen erlebt. Wir hörten und sahen Meinungen unterschiedlicher Menschen. Ich bin allen Menschen dankbar, die mich beeinflusst haben.

In der Zeit im Sommerlager wurde ich von unterschiedlichen Menschen umgeben, von wunderbaren Teilnehmenden, von fantastischen Freiwilligen und guten Trainer*innen. Ich erlebte unvergessliche Gefühle, als ich diese viele Menschen kennen gelernt und viel Interessantes erfahren hatte. Während der Interaktion mit diesen Menschen spürte ich Veränderungen in mir und meinen Sichtweisen. Junge Männer und Frauen mit und ohne Behinderung wohnten zusammen und nahmen an den Veranstaltungen teil. Wir wuchsen zusammen und es spielte keine Rolle mehr, dass wir alle so unterschiedlich sind. Obwohl wir alle unterschiedlich waren, waren wir alle gleich.

Dank den unterschiedlichen pädagogischen Veranstaltungen, die die Trainer*innen durchführten, änderten sich meine Gedanken und Sichtweisen. Unsere Lehrenden waren auf gleicher Augenhöhe mit uns und wir hatten wunderschöne Beziehungen zu ihnen. Ich bin ihnen dankbar, dass sie für uns ein vielfältiges Programm vorbereitet haben. Es gab jedes Mal etwas Neues, Aufschlussreiches und Interessantes. Jeden Tag konnten wir über unseren Tag reflektieren. Sie hörten uns zu und versuchten, jeden zu verstehen und zu spüren. Alle Teilnehmenden erzählten, was sie gelernt hatten und zu welchen Ergebnissen sie gekommen waren. Oft waren unsere Tage so erlebnisreich, dass wir nicht alles erwähnen konnten, was mit uns passiert war. Wir entfalteten uns und entdeckten neue Talente. Wir hatten auch Zeit um den Wald zu fühlen.

Im Zeltlager „Runder See“ sind wir uns nah gekommen. Es war wunderschön, in einem Wald am See zu wohnen, beim Bildungsprogramm etwas Neues zu lernen, in der Nacht vom Steg die Sterne zu beobachten und uns einfach mit der ganzen Seele zu erholen. Es herrschte eine gemütliche und magische Atmosphäre. Wir haben viele Eindrücke bekommen und erinnern uns mit Freude daran. Jeden Tag integrierte ich mich immer mehr und zum Schluss kam ich im Zeltlager richtig an, so dass ich gar nicht mehr zurückfahren wollte. Ich habe nur positive Eindrücke von dem allen, was passiert ist. Ich bin dankbar für alles. Es ist richtig viel passiert. Man kann es nicht einfach beschreiben…

Der Zeltlager ist ein eigener Lebensabschnitt, der für immer in meinem Herzen bleibt.

Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie eine finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.

Kanikuli beim Symposium der Robert-Vogel-Stiftung

von Lina Müller und Ruben Werchan

Ruben und Lina während der Präsentation

Die wunderbare Gelegenheit, uns weiter mit Initiativen in Deutschland zu vernetzen, hatten wir am Samstag beim 1. Symposium der Robert-Vogel-Stiftung (RVS) in München. Eingeladen waren alle Initiativen, die die RVS finanziert. Auf diese Weise lernten wir unter anderen Menschen kennen, die sich in den Bereichen Fetale Alkoholspektrumstörungen, häusliche Unterstützung von Kindern mit Trisomie 21, Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen und der Demenzbetreuung engagieren. Alles Themen, die auch für unsere Arbeit extrem relevant sind. Bestimmt werden wir und unsere Projekte in Zukunft von den geknüpften Kontakten profitieren.

Dabei stand Kanikuli in mancher Hinsicht unter den Gästen heraus. Nicht nur sind wir die einzige Initiative deren Arbeitsschwerpunkt im Ausland liegt. Auch sind wir die Einzigen, die die Arbeit primär ehrenamtlich erledigen. Das sorgte natürlich für besondere Aufmerksamkeit und viele interessierte Nachfragen zu unserer Arbeit. Auch die gewohnt übertrieben süßen belarusischen Näschereien, die wir zur Kaffeepause beisteuerten, haben für Interesse gesorgt.

Wir sind voller Elan und Motivation für zukünftige Zusammenarbeit aus München zurückgekehrt. Durch Veranstaltungen wie dieses Symposium profitiert Kanikuli nicht nur finanziell von der Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung, sondern auch durch inhaltlichen Input für unsere Arbeit und die Erweiterung unseres Netzwerkes.

Hier gibt’s den Flyer zum Symposium.

Ferienfreizeit für Kinder 2019

von Marlene (ASF-Freiwillige 2018/19)

10 Tage lang von Allem ganz viel. So würde ich die Freizeit für Kinder mit Behinderung beschreiben, die vom 25. Mai  bis 3. Juni in einem Vorort von Minsk stattgefunden hat. Viel Spaß, viel gelacht, viel getanzt, viel gebastelt, viel gelernt (zum Beispiel oft den Imperativ im Russischen geübt) – kurz: viel gegeben und noch mehr zurückbekommen. Das Einzige, was ein bisschen zu kurz kam war der Schlaf, aber das ist ja eigentlich immer so. Wir, die fünf ASF-Freiwilligen in Belarus, sind zusammen mit einheimischen Freiwilligen und einer Psychologin aus dem Kinderheim von Novinki auf ein Ferienlager nach Zdanovicy in der Nähe von Minsk gefahren. Ermöglicht wird die jährliche Fahrt von Kanikuli e. V. Das Ferien-Lager setzt in „eins zu eins Betreuung“ mehr Personal ein, um den Kindern mehr Aufmerksamkeit geben und individueller auf sie eingehen zu können  als dies im Alltag der Fall ist. Dieses Jahr waren wir mit 12 Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren mit unterschiedlichen Behinderungen unterwegs.

In der Anlage, in der wir untergebracht waren, gibt es einen See, Sportplätze und ein schönes Außengelände. Dank des Wetters konnten wir auch viel draußen machen. Neben Anwendungen wie Massagen oder einem Raum mit Salz für die Atemwege haben wir viel gebastelt, Ball gespielt oder in der Disko abends ordentlich getanzt. Ich musste aber immer wieder feststellen, wie kurz die Zeit doch ist, um wirklich etwas zu machen. Essen, (Mittags)Schlaf, anziehen, waschen usw. ist nämlich immer eine ganz schöne Prozedur.

Gestartet sind wir dabei mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Während einige von den Freiwilligen schon länger in Novinki arbeiten und die Jugendlichen auch schon kannten, habe ich das erste Mal mehr mit Kindern mit Behinderung zu tun gehabt und fand das total bereichernd. Klar, manchmal kommt man auch an seine Grenzen, wenn man jeden Tag aufs neue diskutieren muss, ob die Kleider, die die Kinder gerne anziehen würden, dem Wetter entsprechen und ob man nach der Toilette Hände wäscht oder doch lieber direkt zum Essen entwischt. Gleichzeitig entstehen immer so viele lustige Momente und es wird absolut nie langweilig. 

Hier beschreibt Emily zum Beispiel einen ihrer persönlichen Lieblingsmomente:

Natürlich war wie immer auch die Disko besonders beliebt, und dort haben wir einige sehr eindrucksvolle Abende miteinander verbracht.Einer der lustigsten Momente für mich war allerdings woanders. Es war einer der letzten Abende in der zweiten Hälfte des Lagers. Eigentlich war es schon Zeit zum ins Bettgehen, aber wir saßen noch draußen auf der Terrasse, weil der Abend so warm war. Eine der anderen Freiwilligen hat nochmal Musik angemacht und eins der Mädchen, Lisa, ist sofort drauf angesprungen. Sie hat lautstark mitgesungen, getanzt und gelacht. Besonders „This Love“ von Maroon 5 hatte es ihr angetan. Die andere Freiwillige hat mich aufgefordert im Refrain einzustimmen, aber ich kannte den Text leider gar nicht. Also habe ich hauptsächlich die Melodie mitgesungen. Aber das hat auch gar nicht so viel gemacht, weil Lisa dafür umso lauter mitgesungen hat. Sie hatte unglaublich viel Spaß und hat uns immer weiter motiviert, mitzumachen, sodass wir bis spät in den Abend noch da saßen, gesungen, getanzt und gelacht haben. Es war ein sehr schöner Abend gegen Ende des Lagers und ein toller Abschluss eines langen, sonnigen Tages.“

Es gab allerdings natürlich auch wahnsinnig viele Herausforderungen, eine davon beschreibt Felix wie folgt:

„Eine sehr eindrückliche und herausfordernde Situation war das Verhalten eines Jungens, Artur, der jedes Mal, wenn er auf die Toilette gehen musste, das Bedürfnis verspürte, sich und das Bad mit deren Inhalt voll zu schmieren. Man hat sehr klar gemerkt, dass er wusste, dass ihm das nicht erlaubt war und er hat scheinbar auch keinen Gefallen daran gefunden, danach geduscht werden zu müssen. Trotzdem haben wir es die gesamte Freizeit über nicht geschafft, ihn davon abzuhalten. Die Erfahrung hat mich sicherlich für die unangenehmeren und anstrengenderen Aspekte der Arbeit im Kinderheim sensibilisiert. Es war sehr schwierig für mich, die Geduld zu bewahren und mir darüber bewusst zu bleiben, dass ich ihm nicht auf die selbe Art Absicht unterstellen sollte, wie ich es bei anderen Kindern tun würde, ohne dabei einem falschen Fatalismus zu verfallen und zu glauben, dass an dem Verhalten letztlich nichts zu ändern sei.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir persönlich noch, wie einer unserer Jungs ganz entrüstet und mit erhobenem Zeigefinder mit der Musikbox in der Disko schimpft, nachdem diese plötzlich viel lauter geworden ist. Oder mit welcher Begeisterung man zu einem Lied immer nur im Kreis laufen kann. Was auch beeindruckend war, wie schnell sich die Teilnehmer teilweise entwickelt und nach ein paar Tagen plötzlich ganz anders verhalten haben. Nicht zuletzt hat die Arbeit auch durch die belarussischen Freiwilligen sehr viel Spaß gemacht und man konnte viel voneinander lernen. Ich freue mich deshalb auf weitere bunte, laute, lustige und manchmal auch nachdenkliche Begegnungen mit Menschen mit und ohne Behinderung in Belarus oder anderswo.

Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie eine finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.

Frühjahrs-MV in Hamburg

Wenn sich Menschen aus ganz Deutschland und Belarus in einem Wohnzimmer in Hamburg treffen um Ideen auszutauschen, neue Projekte zu planen, aber auch um gemeinsam zu kochen und einander wiederzusehen und wenn das alles noch zweisprachig auf Russisch und Deutsch stattfindet, dann ist wieder Kanikuli-Mitgliederversammlung.

Die erste Mitgliederversammlung dieses Jahr, welche am 4. und 5. Mai in Hamburg stattfand, war wohl mit 17 Teilnehmer*innen die zahlenmäßig Größte. Besonders bereichernd war, dass die aktuellen belarussischen Freiwilligen Uljana und Lyosha an der Versammlung teilnehmen konnten.

Sie berichteten eindrucksvoll über ihre Arbeit im Kinderheim Novinki und schlugen viele neue Projektideen vor, wie zum Beispiel mit den Heimbewohner*innen an Kunst- und Theaterfestivals teilnehmen, sowie Workshops zu sexueller Selbstbestimmung und Selbstverteidigung machen. Besonders erfreulich war, dass so viele spannende  Projektideen vorgeschlagen wurden, dass wir uns  entscheiden müssen, welche der vielen Vorschläge realisiert werden können.

Neben den Berichten der aktuellen Freiwilligen und der Projektvorstellungen, wurde auch ein neuer Mentor für die deutschen Freiwilligen in Belarus gewählt.

Die Versammlung war auch deshalb so nährreich, weil sie ebenfalls ein großes Wiedersehen zwischen den Freiwilligen aller Generation war. Voller Motivation für neue Projekte und Initiativen verließen die Kanikulimitglieder die Versammlung. Die nächste MV ist für November geplant.

Clara Schilke