Facebook-Fotos von Menschen aus belarusischen Behindertenheimen
Liebe Freund*innen, Unterstützer*innen und Interessierte,
häufig stehen wir in einem Konflikt, wenn wir uns zu politischen Themen in Belarus äußern und damit unsere Arbeit aufs Spiel setzen und unsere Partner*innen gefährden. Doch zu der aktuellen Situation in Belarus möchten wir von Kanikuli e. V. sowie die Heimbewohner*innen mit denen wir arbeiten (s. Fotos (Quelle: facebook)) nicht schweigen. Die seit Jahren anhaltenden Wahlfälschungen und Repressionen gegen die Opposition wurden in diesem Jahr weiter auf die Spitze getrieben. Es gibt brutale Gewalt durch Polizei und Militär gegen massenhafte, weitestgehend friedliche Protestierende. Viele Menschen wurden schwer verletzt, einige sind gestorben, tausende wurden bereits inhaftiert. Es gibt Streiks und kreativen Protest. Wir unterstützen belarussische Bürger*innen in ihrem Streben nach gerechteren Wahlen. Wir rufen dazu auf auch in Deutschland und der EU diesen Kampf zu unterstützen.
PS: Wer unsere Arbeit auch finanziell unterstützen möchte: Wir sammeln momentan Spenden speziell für die Corona-Hilfe in Belarus, um die Lage der Menschen in den Heimen zu verbessern. Mit dem Geld wird dringend benötigte Schutzausrüstung etc. angeschafft. Weitere Infos sind hier auf der Website unter der Rubrik „Corona“. Kontoinhaber: Kanikuli e.V. ,Bank: GLS Bank, IBAN: DE64 4306 0967 4018
„Wir führen unsere eigenen Berechnungen“ – Mitarbeitende einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung in Minsk melden kranke Ärzt*innen.
Фото: Ксения Голубович
8.Mai 2020, Lyubov Kaspierovich
TUT.BY Der Ausbruch von COVID-19 in einem weiteren Heim wurde bekannt. Den Informationen zweier Quellen zufolge wurde das Coronavirus bei mehreren Mitarbeitenden des psychoneurologischen Internats Nr.3 in Minsk nachgewiesen. Laut einem der Ärzte sei es schwierig, die genaue Anzahl der Erkrankten unter den Bewohnenden zu bestimmen. Das Heim (PNI/psychoneurologisches Internat) Nr.3 für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen befindet sich in der Vygotsky-Straße im Mikrobezirk Novinki. Die ersten Fälle der Krankheit traten im April auf. Zunächst wurde nur eine Station geschlossen, in der etwa fünfzig Personen lebten. Inzwischen wurden auch die anderen Stationen geschlossen, erzählen Angestellte des Heims.
Seit April arbeiten die Heimmitarbeitenden nach einem neuen Arbeitsplan. Während früher in 12- und 24-Stunden-Schichten gearbeitet wurde, gehen die Mitarbeitenden derzeit für 14 Tage in die Schicht, sie arbeiten und leben zwei Wochen im Heim, ohne nach Hause zu gehen. Die Heim-Mitarbeitenden beendeten die erste zweiwöchige Schicht am 30. April. Vor Verlassen des Geländes wurden bei den Mitarbeitenden Tests auf das Coronavirus durchgeführt. Mindestens 20 von ihnen hatten ein positives Testergebnis, sagt einer der Gesprächspartner. Insgesamt waren rund 80 Personen im Dienst. „Diese Informationen sind inoffiziell. Da die Leitung keine Zahlen bekannt gibt, führen wir unsere Berechnungen selbst durch“, sagte ein Informant. Wie viele Erkrankte unter den Bewohnenden sind, wissen die Mitarbeitenden laut dem Mediziner nicht. Am 21. April nahmen sowohl Mitarbeitende als auch alle Bewohnenden Abstriche zur Untersuchung auf das Coronavirus, insgesamt waren es mehrere hundert. Die Ergebnisse seien ihm nicht bekannt. „Ich konnte durchsetzen, die Tests von den Mitarbeitenden zu Beginn oder Ende der Schicht zu erhalten.“ Es ist klar, dass es Krankheitsfälle unter den Bewohnenden gibt, da Ärzt*innen während einer zweiwöchigen Schicht nur bei der Arbeit infiziert werden konnten. Aber wie viele es sind, weiß niemand.
Einer Quelle zufolge war der erste Erkrankte ein Bewohner, der nach der Behandlung in einem Krankenhaus, in dem ein Fall des Coronavirus registriert wurde, ins Heim zurückkehrte. Momentan verläuft der Großteil der Krankheit symptomfrei. Wenn Symptome oder Komplikationen auftreten, werden die Betroffenen ins Krankenhaus eingeliefert. Laut einem der Gesprächspartner befinden sich mehr als 10 Bewohnende in Krankenhäusern. Zur Zeit arbeitet erfahrenes sowie junges medizinisches Personal mit individuellen Schutzausrüstungen. Die Gesprächspartner stellten fest, dass dieses ausreiche, „wenn sie rational eingesetzt werden“. Die Mitarbeitenden des Internats sollen in zwei Wochen in die nächste Schicht kommen. Sie können dies jedoch auch früher tun. Es gelang nicht, den Direktor des Internats Anatoly Varenik zu erreichen. Im Heim wurde erklärt, er befinde sich zurzeit im Urlaub, die stellvertretende Leiterin des medizinischen Dienstes hat kürzlich gekündigt. Auch Zhanna Romanovich, die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Beschäftigung und Sozialschutz des Exekutivkomitees der Stadt Minsk, konnte nicht erreicht werden.
In Belarus wurde ein offener Brief, der über die aktuelle Lage in den Heimeinrichtungen für Menschen mit Behinderung informiert, veröffentlicht. Wir bei Kanikuli e. V. haben uns entschieden, diesen Hilfeaufruf zu übersetzen.
COVID-19 PNI – Dringender
Aufruf den Internaten zu Helfen
Während einer Pandemie und dem Regime der Selbstisolation leiden die
schwächsten und verletzlichsten Bürger, diejenigen, die von anderen Menschen
abhängig sind am meisten. In Belarus leben viele Menschen mit Behinderungen in
Heimeinrichtungen: Verteilt sind ca. 18.000 Erwachsene und 1.400 Kinder auf
insgesamt 72 Heime für Erwachsene und 9 für Kinder. Unter ihnen sind viele
ältere Menschen mit chronischen Krankheiten, sowie Kinder und Erwachsene, die
eine Kombination aus mehreren schwerwiegenden Diagnosen haben.
Logischerweise sind diese Menschen sehr anfällig für Lungenentzündungen.
Verbunden mit ihren Erkrankungen und ihrer Lebensweiße ist der Mangel an einer
qualitativ hochwertigen Pflege nicht weniger ein Lebensrisiko, als das Virus an
sich.
Einige Internate haben 600-700 Einwohner, die Hälfte von ihnen haben nicht nur
Erkrankungen, sondern sind auch fortgeschrittenen Alters. Zudem ist die
überwiegende Mehrheit der Kinder, die in diesen Heimeinrichtungen leben,
Waisen.
Seit Beginn der Epidemie
wurden alle Institutionen unter Quarantäne gestellt. Jede Art von Besuchen,
Besprechungen und Übergaben sind verboten. Uns ist bewusst, dass bei Epidemien
die Verringerung der sozialen Kontakte und das Herstellen von Distanz eine
wichtige Maßnahme ist. Genauso unmöglich ist es jedoch, diese Maßnahmen in
Kinderheimen oder Internaten durchzusetzen, da Kinder und Erwachsene dort eng
aufeinander leben und eine große Anzahl von Menschen in einem Raum untergebracht
sind.
Die meisten Einrichtungen sind nach dem Korridorprinzip aufgebaut. Es gibt einen
langen Korridor und Krankenzimmer, in denen normalerweise zwischen 6 und 8
Personen, in manchen Fällen auch bis zu 20 Personen, leben. Die Angestellten
der Einrichtungen gehen zu ihrem Arbeitsplatz, in großen Einrichtungen sind das
täglich mehrere hundert Personen. Freiwillige, die Vertreter von
Drittorganisationen sind, dürfen die Einrichtungen nicht mehr betreten, aber
solche formellen Quarantänemaßnahmen reichten nicht aus.
Die Leitung des
Sozialbereiches beschloss, die Angestellten dieser Institutionen in den
Beobachtungsmodus zu versetzen, was bedeutet, dass sie in zweiwöchigen
Schichten arbeiten müssen, ohne in dieser Zeit den Arbeitsplatz verlassen zu
dürfen. Wir sind denjenigen Menschen sehr dankbar, die jetzt buchstäblich ihr
Leben und ihre Gesundheit riskieren um ihren Schützlingen beim Überleben zu
helfen. Wir danken den Kindermädchen, Pflegekräften, Erziehern,
Krankenschwestern, Ärzten, Küchenkräften, Wäschern und Wäscherinnen, all
diejenigen, die genug Menschlichkeit in sich gefunden haben, um einen
zweiwöchigen Dienst aufzunehmen.
Zurzeit haben wir Informationen über Infektionsherde in fünf Erwachsen und Kindereinrichtungen. Die Anzahl wird jeden Tag steigen.
Wie viele Menschen es
wohl sein werden, deren Leben, von der Gesellschaft unbemerkt, vorbei sein
wird? Wie viele Menschen werden wir dabei verlieren? Wie können wir sie mit
angemessener Hilfe versorgen? Wir wissen nicht, ob sie respektiert werden und
die gleichen Rechte beim Zugang zu medizinischer Hilfe haben.
Diese mutigen Menschen brauchen jetzt ganz besonders fachspezifische Mittel und Hilfen: Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Schutzbrillen und Schutzausrüstung für die tägliche Arbeit mit an Covid-19- Erkrankten. Sie brauchen Desinfektionsmittel, Sanitätsartikel, Müllbeutel für die gefährlichen Abfälle und vor allem kontaktlose Fieberthermometer. Auch Wasser, Lebensmittel und Hygieneartikel sind keine überflüssigen Produkte. Die normalen Handschuhe und Masken, die es in den Heimen gibt, helfen in der jetzigen Situation nicht und auch diese reichen nicht mehr. Und wenn dann die nächste Schicht angetreten wird, ist es möglich, dass niemand mehr da ist.
Uns ist schon die tragische Erfahrung aus Italien und Spanien bekannt. Dort hausen in den Altenheimen keine hundert, sondern weitaus weniger, und dieser Häuser wurden Orte des Massensterbens durch Coronavirus und unzureichender Pflege unter den Bedingungen der Epidemie. Wir, Vertreter gemeinnütziger Organisationen, Freiwillige, und einfach fürsorgliche Menschen, kennen persönlich viele Leute, die in Heimen leben und arbeiten. Wir sind uns sicher, dass die Mitarbeiter der Heime gerade alles tun, um Menschen zu retten. Aber ohne unsere Hilfe werden sie es nicht schaffen. Lasst uns zusammen alles tun, damit sich diese Tragödie bei uns nicht wiederholt.
Kanikuli e.V. bietet die Möglichkeit an, Spenden an die Initiatoren des Spendenaufrufs weiterzuleiten. Hierfür bitten wir Sie, als Verwendungszweck der Spende „COVID19PNI“ einzutragen.
Die Ferienfreizeiten im Herbst haben ihren eigenen Charm: das Gold der Blätter, der Panoramablick und eine Menge Magie. Ja, und natürlich Regen, der oft die Pläne verändert.
Man kann aber zu Hause bleiben und Blinis (Pfannkuchen) backen, ganz viele Blinis. Das haben wir auch gemacht. Außer Blinis haben wir eine Torte und Hafermuffins gebacken, Spaghetti mit Rosmarin, Borschtsch und viele andere leckere Sachen zubereitet.
Wir wollten uns so gerne den Biberdamm anschauen. Wegen dem Regen mussten wir aber zu Hause bleiben und erkundigten uns theoretisch über das Leben der Biber. Wir zeichneten ein Biberhaus und die Biber selbst. Wir dachten uns eine Geschichte aus und schauten einen Trickfilm, der aber nicht besonders spannend war.
Wir lernten viel darüber, wie viel Müll es auf unserem Planeten gibt, und sammelten ein bisschen Plastik im Wald. (Unser Wald ist ziemlich sauber.) Wir haben erfahren, wenn Plastik ins Wasser kommt, ist es sehr schlecht.
Als wir auf einem der Spaziergänge waren, bestiegen wir einen Berg. Genauer gesagt, viele von uns haben den steilen Aufstieg geschafft. Auf diese Weise lernten wir Bergsteigen kennen.
Wir lernten, dass man im Laden keine Plastiktüten nehmen sollte und es besser ist, wenn man stattdessen Stofftaschen nutzt. Aus diesem Grund nähten wir zusammen eine große Einkaufstasche. Einige von uns lernten nähen oder versuchten zum ersten Mal, eine Nähmaschine zu bedienen. Wir nähten noch zwei Kissen.
Wir machten auch einen botanischen Spaziergang und lernten Drosselbeere, Spindelsträucher, Eberesche und wilde Astern, Pappel und pappelartige Akazie zu unterscheiden.
Wir sammelten auch Hagebutte und machten Ketten daraus. Aus der Paprika, die wir im Treibhaus sammelten, machten wir auch Ketten.
Wir tanzten orientalische Tänze, machten aber morgens nicht immer Sport.
Und noch machten wir Masken aus Stroh und bastelten Waldgeister. Dazu haben wir eine Foto-Geschichte gemacht, die Sie sich anschauen können. Vielleicht ist sie etwas düster, aber der Herbst ist auch manchmal düster.
Vielen Dank an alle Teilnehmer*innen der Ferienfreizeit, insbesondere an Aleksandra.
Die wunderbare Gelegenheit, uns weiter mit Initiativen in Deutschland zu vernetzen, hatten wir am Samstag beim 1. Symposium der Robert-Vogel-Stiftung (RVS) in München. Eingeladen waren alle Initiativen, die die RVS finanziert. Auf diese Weise lernten wir unter anderen Menschen kennen, die sich in den Bereichen Fetale Alkoholspektrumstörungen, häusliche Unterstützung von Kindern mit Trisomie 21, Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen und der Demenzbetreuung engagieren. Alles Themen, die auch für unsere Arbeit extrem relevant sind. Bestimmt werden wir und unsere Projekte in Zukunft von den geknüpften Kontakten profitieren.
Dabei stand Kanikuli in mancher Hinsicht unter den Gästen heraus. Nicht nur sind wir die einzige Initiative deren Arbeitsschwerpunkt im Ausland liegt. Auch sind wir die Einzigen, die die Arbeit primär ehrenamtlich erledigen. Das sorgte natürlich für besondere Aufmerksamkeit und viele interessierte Nachfragen zu unserer Arbeit. Auch die gewohnt übertrieben süßen belarusischen Näschereien, die wir zur Kaffeepause beisteuerten, haben für Interesse gesorgt.
Wir sind voller Elan und Motivation für zukünftige Zusammenarbeit aus München zurückgekehrt. Durch Veranstaltungen wie dieses Symposium profitiert Kanikuli nicht nur finanziell von der Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung, sondern auch durch inhaltlichen Input für unsere Arbeit und die Erweiterung unseres Netzwerkes.
10 Tage lang von Allem ganz viel. So würde ich die Freizeit für Kinder mit Behinderung beschreiben, die vom 25. Mai bis 3. Juni in einem Vorort von Minsk stattgefunden hat. Viel Spaß, viel gelacht, viel getanzt, viel gebastelt, viel gelernt (zum Beispiel oft den Imperativ im Russischen geübt) – kurz: viel gegeben und noch mehr zurückbekommen. Das Einzige, was ein bisschen zu kurz kam war der Schlaf, aber das ist ja eigentlich immer so. Wir, die fünf ASF-Freiwilligen in Belarus, sind zusammen mit einheimischen Freiwilligen und einer Psychologin aus dem Kinderheim von Novinki auf ein Ferienlager nach Zdanovicy in der Nähe von Minsk gefahren. Ermöglicht wird die jährliche Fahrt von Kanikuli e. V. Das Ferien-Lager setzt in „eins zu eins Betreuung“ mehr Personal ein, um den Kindern mehr Aufmerksamkeit geben und individueller auf sie eingehen zu können als dies im Alltag der Fall ist. Dieses Jahr waren wir mit 12 Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren mit unterschiedlichen Behinderungen unterwegs.
In der Anlage, in der wir untergebracht waren, gibt es einen See, Sportplätze und ein schönes Außengelände. Dank des Wetters konnten wir auch viel draußen machen. Neben Anwendungen wie Massagen oder einem Raum mit Salz für die Atemwege haben wir viel gebastelt, Ball gespielt oder in der Disko abends ordentlich getanzt. Ich musste aber immer wieder feststellen, wie kurz die Zeit doch ist, um wirklich etwas zu machen. Essen, (Mittags)Schlaf, anziehen, waschen usw. ist nämlich immer eine ganz schöne Prozedur.
Gestartet sind wir dabei mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Während einige von den Freiwilligen schon länger in Novinki arbeiten und die Jugendlichen auch schon kannten, habe ich das erste Mal mehr mit Kindern mit Behinderung zu tun gehabt und fand das total bereichernd. Klar, manchmal kommt man auch an seine Grenzen, wenn man jeden Tag aufs neue diskutieren muss, ob die Kleider, die die Kinder gerne anziehen würden, dem Wetter entsprechen und ob man nach der Toilette Hände wäscht oder doch lieber direkt zum Essen entwischt. Gleichzeitig entstehen immer so viele lustige Momente und es wird absolut nie langweilig.
Hier beschreibt Emily zum Beispiel einen ihrer persönlichen Lieblingsmomente:
„Natürlich war wie immer auch die Disko besonders beliebt, und dort haben wir einige sehr eindrucksvolle Abende miteinander verbracht.Einer der lustigsten Momente für mich war allerdings woanders. Es war einer der letzten Abende in der zweiten Hälfte des Lagers. Eigentlich war es schon Zeit zum ins Bettgehen, aber wir saßen noch draußen auf der Terrasse, weil der Abend so warm war. Eine der anderen Freiwilligen hat nochmal Musik angemacht und eins der Mädchen, Lisa, ist sofort drauf angesprungen. Sie hat lautstark mitgesungen, getanzt und gelacht. Besonders „This Love“ von Maroon 5 hatte es ihr angetan. Die andere Freiwillige hat mich aufgefordert im Refrain einzustimmen, aber ich kannte den Text leider gar nicht. Also habe ich hauptsächlich die Melodie mitgesungen. Aber das hat auch gar nicht so viel gemacht, weil Lisa dafür umso lauter mitgesungen hat. Sie hatte unglaublich viel Spaß und hat uns immer weiter motiviert, mitzumachen, sodass wir bis spät in den Abend noch da saßen, gesungen, getanzt und gelacht haben. Es war ein sehr schöner Abend gegen Ende des Lagers und ein toller Abschluss eines langen, sonnigen Tages.“
Es gab allerdings natürlich auch wahnsinnig viele Herausforderungen, eine davon beschreibt Felix wie folgt:
„Eine sehr eindrückliche und herausfordernde Situation war das Verhalten eines Jungens, Artur, der jedes Mal, wenn er auf die Toilette gehen musste, das Bedürfnis verspürte, sich und das Bad mit deren Inhalt voll zu schmieren. Man hat sehr klar gemerkt, dass er wusste, dass ihm das nicht erlaubt war und er hat scheinbar auch keinen Gefallen daran gefunden, danach geduscht werden zu müssen. Trotzdem haben wir es die gesamte Freizeit über nicht geschafft, ihn davon abzuhalten. Die Erfahrung hat mich sicherlich für die unangenehmeren und anstrengenderen Aspekte der Arbeit im Kinderheim sensibilisiert. Es war sehr schwierig für mich, die Geduld zu bewahren und mir darüber bewusst zu bleiben, dass ich ihm nicht auf die selbe Art Absicht unterstellen sollte, wie ich es bei anderen Kindern tun würde, ohne dabei einem falschen Fatalismus zu verfallen und zu glauben, dass an dem Verhalten letztlich nichts zu ändern sei.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir persönlich noch, wie einer unserer Jungs ganz entrüstet und mit erhobenem Zeigefinder mit der Musikbox in der Disko schimpft, nachdem diese plötzlich viel lauter geworden ist. Oder mit welcher Begeisterung man zu einem Lied immer nur im Kreis laufen kann. Was auch beeindruckend war, wie schnell sich die Teilnehmer teilweise entwickelt und nach ein paar Tagen plötzlich ganz anders verhalten haben. Nicht zuletzt hat die Arbeit auch durch die belarussischen Freiwilligen sehr viel Spaß gemacht und man konnte viel voneinander lernen. Ich freue mich deshalb auf weitere bunte, laute, lustige und manchmal auch nachdenkliche Begegnungen mit Menschen mit und ohne Behinderung in Belarus oder anderswo.
Wenn sich Menschen aus ganz Deutschland und Belarus in
einem Wohnzimmer in Hamburg treffen um Ideen auszutauschen, neue Projekte zu
planen, aber auch um gemeinsam zu kochen und einander wiederzusehen und wenn
das alles noch zweisprachig auf Russisch und Deutsch stattfindet, dann ist
wieder Kanikuli-Mitgliederversammlung.
Die erste Mitgliederversammlung dieses Jahr, welche am 4.
und 5. Mai in Hamburg stattfand, war wohl mit 17 Teilnehmer*innen die
zahlenmäßig Größte. Besonders bereichernd war, dass die aktuellen
belarussischen Freiwilligen Uljana und Lyosha an der Versammlung teilnehmen
konnten.
Sie berichteten eindrucksvoll über ihre Arbeit im
Kinderheim Novinki und schlugen viele neue Projektideen vor, wie zum
Beispiel mit den Heimbewohner*innen an Kunst- und Theaterfestivals teilnehmen,
sowie Workshops zu sexueller Selbstbestimmung und Selbstverteidigung machen.
Besonders erfreulich war, dass so viele spannende Projektideen vorgeschlagen wurden, dass wir
uns entscheiden müssen, welche der
vielen Vorschläge realisiert werden können.
Neben den Berichten der aktuellen Freiwilligen und der
Projektvorstellungen, wurde auch ein neuer Mentor für die deutschen
Freiwilligen in Belarus gewählt.
Die Versammlung war auch deshalb so nährreich, weil sie ebenfalls ein großes Wiedersehen zwischen den Freiwilligen aller Generation war. Voller Motivation für neue Projekte und Initiativen verließen die Kanikulimitglieder die Versammlung. Die nächste MV ist für November geplant.
Bericht: Anna Yashina, Pasha Andreyuk, Lena Makarovich und Nikolaj Rosolyuk Fragen: Anna Yashina Übersetzung: Jonas Wildermuth
Die Ferienfreizeit „Runder See“ ist das einzige Zeltlager, in dem Jugendliche aus Belarus (nicht nur) aktive Erholung mit intensiver „Bildung in der Natur“ kombinieren. Und da Menschen mit verschiedenen körperlichen Behinderungen an all seinen Events teilnehmen können, wird dieser Ort wirklich einzigartig.
Bekanntlich ist die beste Methode, um sich zu vergewissern, dass ein Projekt Leuten wirklich von Nutzen ist, es über einen längeren Zeitraum zu testen. Das Integrationssommercamp-Seminar „Runder See“ feierte 2018 seinen 20. Geburtstag und erreicht damit fast das Durchschnittsalter der Teilnehmenden. In dieser Zeit entwickelte sich daraus eine „offene Plattform“, in der junge Menschen, über sie betreffende, interessante Themen diskutieren und lernen auf Dinge aufmerksam zu machen, die oft in der Eile unbeachtet bleiben. Auch um einen Ausweg aus ungewöhnlichen Situationen zu finden. Sie schlüpfen in verschiedene, manchmal auch für sie ungewöhnliche Rollen – Generell entwickeln sie Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihnen in ihrem Alltag sicher nützlich sind.
Aber das ist nicht einmal die Hauptsache. Wenn Sie die „routinierten“ Teilnehmenden bitten, das Lager zu beschreiben, werden sie definitiv zwei Hauptaussagen nennen: Das wäre zum einen die einzigartige Atmosphäre und zum anderen die Herzlichkeit (in der jeder sehr schnell zu sich selbst wird) zu den Menschen, die hierherkommen.Diese Unterschiede sind zwar manchmal seltsam, aber da sie den Geist des Umgangs untereinander einfangen, auch sehr interessant.
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Und alles beginnt mit der Ankunft der Freiwilligen. Hier ist er – der erste Teil eines großen Events, sein „harterStart“. Durch den Kraftaufwand von 12-14 Freiwilligen, entsteht auf der bisher leeren Waldlichtung eine richtige Zivilisation. Ihre Aufgabe besteht darin, ein bewohnbares Camp für rund 50 Personen zu errichten. Dazu gehören Orte zum Kochen, zum Lagern von Ressourcen, die Errichtung eines Bads, eines Speisesaals und natürlich, einer Toilette (inkl. Rampen und Haltegriffe für diejenigen, die Gehhilfen oder Rollstühle benutzen). Dafür haben wir vier Tage, was zwar auf den ersten Blick als ausreichend erscheint, in der Praxis hingegen sieht das ganz anders aus.
Freiwilligenarbeit bedeutet einerseits harte Arbeit, Konflikte, Streitigkeiten und manchmal auch beleidigende Worte. Es braucht eben Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, um zu verstehen, wer welche Funktionen übernehmen kann und möchte. Andererseits ist es eine gute Gelegenheit, sich von den eigenen Problemen abzulenken und neues zu lernen, was in den Gegebenheiten der Stadt selten möglich ist.
Was man beim „Runden See“ lernen kann: (Eine von einem Freiwilligen vorgeschlagene unvollständige Liste):
1) Das Hirn einschalten 2) buddeln 3) einen Hammer benutzen 4) Holz hacken (Holz ist unterschiedlich und wird unterschiedlich zerkleinert, und wie!) 5) das Ignorieren von Mückenstichen, Schnaken und Ameisen 6) wie man ein Zelt aufstellt 7) in einem Schlafsack schlafen (damit es nachts nicht kalt wird) 8) unabhängiger werden (da die anderen um dich herum im Normalfall beschäftigt sind und sie keine Zeit haben, deine Probleme zu lösen. Es wird zwar geholfen, setze aber nicht darauf, dass du alles anderen aufhalsen kannst) 9) ein Feuer machen (Profis machen es ohne Streichhölzer und Brenner) 10) wie man Essen für 50 Personen über dem Feuer kocht (zudem ist es sehr lecker und gesund) 11) wie man sich mit Birkenzweigen in der Banja „auspeitscht“(ja, wir haben ein Sauna) 12) Schlagzeug spielen (ein Schlagzeug gibt es auch) 13) einen Rollstuhl reparieren 14) Luftmatratzen aufblasen und reparieren 15) den Handy-Akku auf 17 Tage verteilen 16) einen 40-Liter-Topf durch putzen und waschen vom Ruß befreien 17) wie man Nägel schraubt (weil die Schrauben alle sind) und wie man Schrauben hämmert (weil der Schraubendreher abgestumpft ist) 18) Rampen und Geländer entwerfen und bauen 19) mit verschiedenen Leuten kommunizieren 20) konstruktive Kritik akzeptieren 21) äußern von Meinungen 22) Prioritäten setzen 23) sich in kaltem Wasser waschen
Und auch die Freiwilligen nehmen am Runden See teil und haben ebenfalls die Möglichkeit, alle im Lager verfügbaren Rollen auszuprobieren: Sie können an den Bildungsangeboten teilnehmen (dabei werden die Freiwilligen normalerweise in jeweils zwei Gruppen aufgeteilt, die sich im Laufe des Tages abwechseln: Einige haben Küchendienst, andere beteiligen sich an den Trainings) und schaffen die Voraussetzungen, damit diese stattfinden können. Auch als Freiwilliger muss man Arbeiten und zwar mit den Händen und dem Kopf.
Genau in diesem Teil des Lagers, während die Gruppe noch relativ klein ist, ist es leichter Zeit zu finden, welche man mit sich allein verbringen kann. Um Beispielsweise die Aussicht auf wunderschöne Sonnenauf- und -untergänge, den Sternenhimmel vor dem Hintergrund des Mondes, sowie dessen Abbild in der spiegelglatten Oberfläche des Sees, zu genießen.
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Mit der Ankunft der Hauptteilnehmenden ändert sich grundsätzlich alles. Jetzt ist alles voller Menschen, es wird viel geredet, und der wichtigste Teil des Lagerlebens und dessen Bewohnenden beginnt, das Bildungsprogramm. Kurz gesagt, die Aufgabe der Führungskräfte besteht darin, die Teilnehmenden in bestimmte Situationen zu bringen und ihnen die Gelegenheit zu geben, über diese nachzudenken und zu diskutieren, damit sie daraus ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen können. All dies hilft eine andere Sichtweise auf sich und sein eigenes Leben zu gewinnen. Plötzlich hört man auf, Menschen mit Behinderungen wie Kristallvasen zu behandeln, die nur gehätschelt und getätscheltund vom Staub befreit werden müssen, und erkennt, dass es gewöhnliche Menschen sind: Diejenigen, mit denen man über das Leben sprechen und über alte Witze lachen kann.
Natürlich fällt das Programm jedes Jahr sehr unterschiedlich aus, da nämlich alles (na gut oder fast alles) von den Leuten abhängt, die daran teilnehmen. Umso aktiver die Menschen sind, desto lustiger und interessanter werden alle Aktionen.
Die Minsker Elena Makatovich (Lena) und Nikolai Rosolyuk (Kolja) waren einverstanden, mit mir über das zu sprechen, was beim Runden See 2018 passierte. Die beiden fuhren, auf Einladung ihrer Freundin Kati zum ersten Mal mit ins Lager. Diese möchte sich zusammen mit anderen Helfenden, in der Rolle eines „Trainers“ versuchen. Die Trainer*innen beschäftigen sich mit der Entwicklung und Durchführung des Bildungsprogramms im Lagerseminar.
Ich: Ich frage gleich einmal, wie sich junge Leute eine solche Freizeit, vor deren Beginn, vorgestellt haben?
Lena: Ich hatte extrem vage Vorstellungen vom Lager. Diese repräsentierte nicht die gesamte Situation, das Gleichgewicht des Lebens, den Grad der Beschäftigung und andere Dinge. Ich wusste, dass es viele Aktivitäten und methodische Aufgaben geben wird, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es manchmal gar eine „Gehirnexplosion“ (Lächeln) gibt. Ich habe gesehen, dass Katja und andere Trainer*innen das Programm sorgfältig vorbereitet haben, und ihre Bemühungen haben wirklich hervorragende Ergebnisse hervorgebracht!
Kolja: Ich war sofort interessiert, als ich von dem Lager hörte. Ich habe einen Freund aus Kindertagen mit einer Zerebralparese, aber darüber hinaus habe ich keine näheren Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung gemacht. Ich habe nicht einmal versucht, mir Pläne für diese 10 Tage zu erstellen, aber heute bin ich froh, dass ich hierhergekommen bin!
Ich: Und dennoch, welche Schwierigkeiten hattet ihr?
Lena: Seltsamerweise war die Notwendigkeit viele Menschen kennenzulernen und mit dieser großen Gruppe an Leuten zu kommunizieren, das Schwierigste für mich. Aber auch die Teilnahme am Spiel, in dem wir in Elite und Nichtelite aufgeteilt wurden, fiel mir schwer.
(Anmerkung des Verfassers: Eine Gruppe von Eliten bildete sich ungefähr in der Mitte des Lagers. Unter ihnen waren die Teilnehmenden, die bis zu diesem Zeitpunkt das meiste Geld verdienen konnten. Die Elite musste Steuern einnehmen, die Umsetzung der Gesetze überwachen, im allgemeinen die Funktionen ausführen, die normalerweise der Staat übernimmt. Dass dieser Moment Lena nicht kalt ließ, wurde Beispielsweise sichtbar, als sie bemüht war, von der herrschenden Minderheit herauszufinden, ob ihnen dieser Tag gefällt und wie sie generell dazu stehen, was hier gerade passiert. Manchmal scheint es mir so, dass nur der Runde See, bei einem „Spiel“, solche aufrichtigen Emotionen bei Erwachsenen verursachen kann.)
Zum Ersten: Ich bin nicht gerade eine sehr gesellige Person und manchmal fällt es mir schwer, Kontakte zu knüpfen. Dabei reicht eine große Anzahl von Fremden, sowie der Fakt dass viele von ihnen eine Behinderung haben, nicht aus, um das Problem zu lösen. Jedoch wusste ich sehr genau, wohin ich mich begebe und war für die Tatsache bereit, dass ich dazu viele neue Leute kennenlernen werde und mit ihnen zusammenleben muss. Aber auf die Methode „mit der Elite und dem Rest“ war ich nicht vorbereitet. Ich bin immer noch erstaunt, wie sehr mich diese Unterteilung getroffen hat.
Ich: Worauf genau beziehen sich deine Erfahrungen?
Lena: Zum Beispiel hat mich der kostenpflichtige Pier schockiert! (Lächelt) (Anmerkung des Verfassers: Eine hölzerne Plattform auf dem Wasser, auf der sich die „Residenz“ der privilegierten Gruppe befand) Außerdem habe ich bemerkt, wie sich das Verhalten einiger Mitglieder innerhalb der Elite verändert hat. Auf der anderen Seite wollte ich selbst nicht in diese Gruppe. Ich möchte nicht die Macht an mich reißen, auch nicht im realen Leben. Wahrscheinlich möchte ich einfach keine Verantwortung für andere übernehmen.
Unterdessen gibt Kolja bescheiden zu, dass für ihn die ersten zwei Tage am schwierigsten zu sein schienen, bis sich alle langsam kennenlernten, endlich Mut fassten und miteinander zu reden begannen.
Kolja: Ich erinnere mich noch an den Moment, als ich bei der offenen Wahl zum Lagerleiter gewählt wurde. Ich verspürte eine ganze Reihe verschiedener Emotionen, zum Großteil negative. Ich habe das nicht angestrebt und wollte diese Verantwortung einfach nicht übernehmen.
Ich: Und wenn ich euch bitte, eure persönlichen drei Highlights des Lagerlebens ins Gedächtnis zu rufen, welche Beispiele würdet ihr nennen?
Kolja: Es gab viele Highlights und unvergessliche Momente! Das und die Emotionen der Menschen, alle möglichen Vorfälle,aber lieber möchte ich von den Übungen erzählen, die mir besonders aufgefallen sind.
Die Erste habe ich bereits erwähnt. Dies war, als die Gruppe mit geschlossenen Augen und einem gemeinsamen Marker, den jeder der Teilnehmenden an einer Schnur angebunden hatte, gemeinsam das Wort „Leiter“ schreiben musste. Bei dieser Aufgabe hat mich das Resultat sehr erfreut, auch wenn ich nicht bereit war, dafür die Führungsrolle zu übernehmen.
(Anmerkung des Verfassers: Während dieser Übung sollte jede der drei Gruppen das Wort „Leiter“ mit der von Nikolai beschriebenen Methode „zeichnen“. Alle Mitglieder der Gruppe sahen also nichts, außer ihrer Leitperson, die die Aufgabe ihrer “Augen” übernehmen und dem Rest beschreiben sollte, was sie zu tun hatten. Dafür wurde Kolja in einer offenen Abstimmung zur Leitung einer Gruppe gewählt. Die zweite Gruppe überließ, mit Hilfe von Losen, dem Zufall die Wahl ihrer Führungshilfe. Währenddessen blieb die dritte Mannschaft ohne Hilfe und musste in völliger Dunkelheit agieren. Das Resultat beeindruckte und freute Kolja, dass genau die letzte Gruppe, ohne Hilfe von außen, gewinnen konnte. Dies bestärkte seine Meinung, dass eine Führungsperson in solchen Fällen die Menschen nur daran hindert, sich aufeinander einzustellen.)
Mein Gesprächspartner ist sich übrigens immer noch sicher, dass ein solches Szenario vorhergesehen wurde. Obwohl die Coaching-Gruppe nichts geplant hat, wären sie mit jedem anderen Ergebnis gleichermaßen zufrieden gewesen.
Die zweite Übung hieß „Mit Haferbrei und Gefangenen“. (Anmerkung des Verfassers: Hier musste das Getreide aussortiertund die an den Baum gebundenen Mitglieder des Teams befreit werden). So wie alle versuchten, die Decke zu sich zu ziehen, konnten oder wollten sie sich nicht einigen. Schließlich konnte jeder buchstäblich innerhalb einer Stunde freigelassen werden, indem er sorgfältig überlegte und die richtigen Entscheidungen traf.
Die dritte Übung hieß „Kernen und Schalen“. (Anmerkung des Autors: Die Aufgabe der Teilnehmenden bestand darin, eine Katastrophe zuvermeiden) Alle haben es als Spiel wahrgenommen und fokussierten sich auf die Geheimschrift. Es war jedoch notwendig aufeinander zu zählen und sich auf die Nebensächlichkeiten zu fokussieren. Aber nein, sie haben mit der Geheimschrift gespielt…und mehre Millionen Menschen verloren!
Lena: Ich erinnere mich noch an die Abendprogramme, die von den Teilnehmenden vorbereitet wurden. Sie verbanden und helfen dabei, Talente ans Tageslicht zu bringen, in dem man sich in etwas Neuem probiert. Oder an die Aufgaben in großen Gruppen, zum Beispiel die, bei der ein Fass mit Erde befüllt werden sollte, hierbei musste jeder aus dem Team bei der Befüllung helfen. Diese Aufgabe hat dazu beigetragen, unseren Teamgeist zu stärken!
Ich: Was fiel euch, bei der Interaktion mit Menschen mit Behinderung, am schwierigsten?
Kolja: Wie schon gesagt, die ersten drei Tage erwiesen sich als die schwierigsten. Dann wurde mir klar, dass alles, was sich in meinem Kopf festgesetzt hatte, dumme Vorurteile waren. Trotzdem ist es sehr unfair, dass es so interessante, intelligente und aktive Menschen gibt, die durch den Willen des Schicksals in ihren Körpern gefangen sind und dieser ihnen verdammt nochmal nicht gehorcht.
Dazu muss gesagt werden, dass Lena keine besonderen Probleme in der Interaktion zwischen „gesunden“ und Menschen mit Behinderung sah.
Ich: Und wer profitiert mehr von solchen Events, Menschen mit oder ohne körperliche Behinderung?
Lena: Events wie der Runde See sind sowohl für Menschen mit Behinderungen als auch für „gesunde“ Menschen von Nutzen. Es gelingt eben nicht immer ein aktives Leben zu führen und mit neuen Menschen zusammenzukommen. Der Runde See ist ein Ort, an dem all dies möglich ist. Interessante methodische Aufgaben und Spiele, Natur und frische Luft, ein Szenenwechsel und vor allem Kommunikation und Diskussion über akute Probleme – das was uns allen im Alltag manchmal fehlt. Es ist hilfreich und interessant in einem. Ich hoffe, dass ich wieder hierherkommen werde.
Kolja: Für gesunde Menschen ist es eine erstaunliche Chance, Vorurteile abzubauen und Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen zu sammeln. Gleichzeitig ist es für Menschen mit Behinderungen eine Gelegenheit, interessant, aktiv und abwechslungsreich Zeit zu verbringen. Also wahrscheinlich (lächelt).
Zum Schluss bitte ich Kolja, denjenigen, die zum ersten Mal hierherkommen, ein paar praktische Ratschläge zu geben.
– Verschwendet keine Zeit! Lernt lieber alle kennen und beteiligt euch so aktiv wie möglich an allen Aktionen! – Nicolai beendet unser Gespräch begeistert.
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Kolja und Lena haben alles was passiert ist, ausführlich beschrieben – das Programm hat sie wirklich beeindruckt. Obwohl es meistens von Personen ausgearbeitet und realisiert wird, die sich nicht professionell mit der Thematik befassen. Darin liegt ein weiteres Merkmal des Camps und es beweist, dass sich jeder in der Leitung oder als Trainer*in versuchen kann.
Es reicht aus, sich mit den Menschen vom belarussischen Jungendverband „Verschiedene-Gleiche“ in Verbindung zu setzen, sie werden von ihren Projekten berichten. Nun und weiter… lernen, lernen und nochmal lernen! Sie erklären euch innerhalb von sechs Monaten (+/- ein paar Monate), wie man sich Ziele und Aufgaben setzt, eine Logik aufbaut, Übungen auswählt und anpasst. Außerdem gibt es danach die Möglichkeit, diese auch anzuwenden. Natürlich wird es nicht einfach! Aber definitiv interessant und sehr nützlich für die Selbstentwicklung, es lohnt sich also!
Aber die zehn Tage, deren Vorbereitung so viel Zeit und Mühe kosten, verfliegen normalerweise im Wind. Und nachdem die Teilnehmenden abgereist sind, beginnt der dritte, trostloseste Teil des „Runden Sees“. In dem die Freiwilligen das leere, vor kurzem noch mit eigenen Händen erschaffene Lager, nach zwei intensiven Wochen, voller Nostalgie abbauen und hoffen, dass sie nächstes Jahr wieder hierher zurückkehren können…
Vom 19.-25. Juni nahm ich an der Freizeit für Kinder mit Besonderheiten in der Entwicklung teil. Die Gruppe bestand aus jeweils acht Kindern und Freiwilligen. Die Kinder hatten vielfältige Behinderungen, nur drei von ihnen, Zahar, Andreij und Dimka konnten laufen.
Mittwoch, 20. Juni
Der Tag war sonnig und sehr heiß. Nach dem Frühstück brachen wir auf zum Strand. Dort legten wir die Kinder auf eine Decke und bauten einen großen Sonnenschirm auf. Anechka begann zu kichern und Vovka umarmte Olenka, Virginia schlief ein. Der Freiwillige Dima stützte Zahar und führte ihn über den Sand. Zahar war sehr zurückhaltend in seinen Emotionen und so wussten wir nicht genau ob ihm das Laufen gefiel. Der Junge gab nur einzelne Laute von sich und lächelte zu Beginn der Freizeit fast nie.
Am Strand lernten wir Freiwilligen uns besser kennen – für alle Beteiligten war es die erste Erfahrung in der Freiwilligenarbeit.Bei Spaziergängen über das Gelände des Erholungsheims sahen wir öfter verwunderte Blicke anderer Kinder, die ihre Neugier nicht verbergen konnten. Einmal wurden wir Zeugen eines Gesprächs, in welchem eine Achtjährige ihrem Altersgenossen erklärte: „Guck mal, das Kind ist nicht normal“, woraufhin der Junge erwiderte: „Und du selber bist normal?“. Dass sich die Meinungen unterscheiden ist schon mal ermutigend. Bei der Kantine hatte man eine Rampe errichtet, aber aus irgendeinem Grund achtete niemand darauf, dass es auch Kinder im Rollstuhl auf dem Gelände gab. Es war allen egal, sodass wir immer warten mussten, bis alle anderen Kinder vorbei gezogen waren, denen es auch gemütlicher schien die Rampen zu benutzen.
Samstag, 23.06.
Das Wetter wurde schlecht. Die Kinder hatten wenige warme Sachen dabei und draußen regnete es. Wir beschlossen, T-Shirts zu bemalen. Der Freiwillige Vasja war Künstler. Er versuchte mit Andrej ein Shirt zu bemalen, während der versuchte die Farben zu essen. Danach ergoss sich das farbige Malwasser über den Tisch. Dennoch vollendeten sie das Projekt.
Den Kindern war anzusehen, dass sie Farbe und dicke Wangen bekommen hatten. Dimka wollte gar nicht mehr im Rollstuhl sitzen, sondern lief an der Hand ‚seines‘ Freiwilligen herum.
Zhenja stellte für Vovka Musik an und der lächelte. Endlich hatten wir gefunden, was ihn glücklich machte. Am besten gefiel ihm die Sängerin Dido.
Die anderen Kinder im Erholungsheim begannen uns die Türen aufzuhalten und den Weg zu räumen. Sie erschraken nicht mehr so sehr vor uns und boten Hilfe an.
Sonntag, 24.06.
Es wurde wieder wärmer draußen und wir begaben uns in die Waldlaube. Alle hatten sich inzwischen so angefreundet, dass die Atmosphäre sehr herzlich war. Ich hörte ein leises wunderschönes Lachen – Nastja, die auf ihren Wangen herumkaute und glücklich aussah. Zahar lief schon fast alleine, Dima stützte ihn kaum noch. Als Dima beim Abendessen einen anzüglichen Witz machte lachte Zahar mit uns mit. Wir gratulierten Dima, dass es ihm gelungen war den traurigen Jungen zum Lachen zu bringen.
Wir Freiwilligen hatten ein Gespräch darüber wie es weitergeht und wie wer eigentlich wem mehr Freude bereitet, wir den Kindern oder die Kinder uns. Die Frage bleibt unbeantwortet.