Ferienfreizeit für Kinder 2019

von Marlene (ASF-Freiwillige 2018/19)

10 Tage lang von Allem ganz viel. So würde ich die Freizeit für Kinder mit Behinderung beschreiben, die vom 25. Mai  bis 3. Juni in einem Vorort von Minsk stattgefunden hat. Viel Spaß, viel gelacht, viel getanzt, viel gebastelt, viel gelernt (zum Beispiel oft den Imperativ im Russischen geübt) – kurz: viel gegeben und noch mehr zurückbekommen. Das Einzige, was ein bisschen zu kurz kam war der Schlaf, aber das ist ja eigentlich immer so. Wir, die fünf ASF-Freiwilligen in Belarus, sind zusammen mit einheimischen Freiwilligen und einer Psychologin aus dem Kinderheim von Novinki auf ein Ferienlager nach Zdanovicy in der Nähe von Minsk gefahren. Ermöglicht wird die jährliche Fahrt von Kanikuli e. V. Das Ferien-Lager setzt in „eins zu eins Betreuung“ mehr Personal ein, um den Kindern mehr Aufmerksamkeit geben und individueller auf sie eingehen zu können  als dies im Alltag der Fall ist. Dieses Jahr waren wir mit 12 Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren mit unterschiedlichen Behinderungen unterwegs.

In der Anlage, in der wir untergebracht waren, gibt es einen See, Sportplätze und ein schönes Außengelände. Dank des Wetters konnten wir auch viel draußen machen. Neben Anwendungen wie Massagen oder einem Raum mit Salz für die Atemwege haben wir viel gebastelt, Ball gespielt oder in der Disko abends ordentlich getanzt. Ich musste aber immer wieder feststellen, wie kurz die Zeit doch ist, um wirklich etwas zu machen. Essen, (Mittags)Schlaf, anziehen, waschen usw. ist nämlich immer eine ganz schöne Prozedur.

Gestartet sind wir dabei mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Während einige von den Freiwilligen schon länger in Novinki arbeiten und die Jugendlichen auch schon kannten, habe ich das erste Mal mehr mit Kindern mit Behinderung zu tun gehabt und fand das total bereichernd. Klar, manchmal kommt man auch an seine Grenzen, wenn man jeden Tag aufs neue diskutieren muss, ob die Kleider, die die Kinder gerne anziehen würden, dem Wetter entsprechen und ob man nach der Toilette Hände wäscht oder doch lieber direkt zum Essen entwischt. Gleichzeitig entstehen immer so viele lustige Momente und es wird absolut nie langweilig. 

Hier beschreibt Emily zum Beispiel einen ihrer persönlichen Lieblingsmomente:

Natürlich war wie immer auch die Disko besonders beliebt, und dort haben wir einige sehr eindrucksvolle Abende miteinander verbracht.Einer der lustigsten Momente für mich war allerdings woanders. Es war einer der letzten Abende in der zweiten Hälfte des Lagers. Eigentlich war es schon Zeit zum ins Bettgehen, aber wir saßen noch draußen auf der Terrasse, weil der Abend so warm war. Eine der anderen Freiwilligen hat nochmal Musik angemacht und eins der Mädchen, Lisa, ist sofort drauf angesprungen. Sie hat lautstark mitgesungen, getanzt und gelacht. Besonders „This Love“ von Maroon 5 hatte es ihr angetan. Die andere Freiwillige hat mich aufgefordert im Refrain einzustimmen, aber ich kannte den Text leider gar nicht. Also habe ich hauptsächlich die Melodie mitgesungen. Aber das hat auch gar nicht so viel gemacht, weil Lisa dafür umso lauter mitgesungen hat. Sie hatte unglaublich viel Spaß und hat uns immer weiter motiviert, mitzumachen, sodass wir bis spät in den Abend noch da saßen, gesungen, getanzt und gelacht haben. Es war ein sehr schöner Abend gegen Ende des Lagers und ein toller Abschluss eines langen, sonnigen Tages.“

Es gab allerdings natürlich auch wahnsinnig viele Herausforderungen, eine davon beschreibt Felix wie folgt:

„Eine sehr eindrückliche und herausfordernde Situation war das Verhalten eines Jungens, Artur, der jedes Mal, wenn er auf die Toilette gehen musste, das Bedürfnis verspürte, sich und das Bad mit deren Inhalt voll zu schmieren. Man hat sehr klar gemerkt, dass er wusste, dass ihm das nicht erlaubt war und er hat scheinbar auch keinen Gefallen daran gefunden, danach geduscht werden zu müssen. Trotzdem haben wir es die gesamte Freizeit über nicht geschafft, ihn davon abzuhalten. Die Erfahrung hat mich sicherlich für die unangenehmeren und anstrengenderen Aspekte der Arbeit im Kinderheim sensibilisiert. Es war sehr schwierig für mich, die Geduld zu bewahren und mir darüber bewusst zu bleiben, dass ich ihm nicht auf die selbe Art Absicht unterstellen sollte, wie ich es bei anderen Kindern tun würde, ohne dabei einem falschen Fatalismus zu verfallen und zu glauben, dass an dem Verhalten letztlich nichts zu ändern sei.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir persönlich noch, wie einer unserer Jungs ganz entrüstet und mit erhobenem Zeigefinder mit der Musikbox in der Disko schimpft, nachdem diese plötzlich viel lauter geworden ist. Oder mit welcher Begeisterung man zu einem Lied immer nur im Kreis laufen kann. Was auch beeindruckend war, wie schnell sich die Teilnehmer teilweise entwickelt und nach ein paar Tagen plötzlich ganz anders verhalten haben. Nicht zuletzt hat die Arbeit auch durch die belarussischen Freiwilligen sehr viel Spaß gemacht und man konnte viel voneinander lernen. Ich freue mich deshalb auf weitere bunte, laute, lustige und manchmal auch nachdenkliche Begegnungen mit Menschen mit und ohne Behinderung in Belarus oder anderswo.

Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie eine finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.