Kommentar von Kanikuli e. V.:
Mitte November 2016 wurde in dem belarussischen Internetmagazin imena ein Artikel über das Kinderheim in Minsk, mit dem Kanikuli Freizeiten organisiert, veröffentlicht.
In dem Artikel wird über die Mangelernährung von bettlägerigen Kindern offen berichtet. Der Kinderarzt, die stellvertretende Direktorin des medizinischen Bereichs und der Direktor des Heims erklären, wie es zu dieser Mangelernährung kommt und was benötigt würde, um die Situation zu verändern. Tatsächlich wurden auch erste Schritte unternommen.
Der Artikel ist recht ausführlich, da neben der Situation, auch die Maßnahmen und politischen Hintergründe beschrieben werden. Es lohnt sich die Zeit zum Lesen zu investieren.
Dennoch möchten wir, die wir selbst dort ein Jahr als Freiwillige gearbeitet haben und die Situation in dem Heim seit vielen Jahren kennen, ein paar Hinweise zur Lektüre geben.
Die offene und auch sehr ehrliche Darstellung der Situation blieb (leider) nicht folgenlos. Der Direktor des Kinderheims wurde entlassen und es wurden Untersuchungskommissionen in allen Heimen für Kinder mit Behinderung in Belarus veranlasst. Journalisten wurde der Zugang zum Heim vorerst verboten und eine Zeit war unklar inwiefern die neue Situation die Arbeit von Freiwilligen und des Kanikuli e.V. einschränken würde. Auch im benachbarten Erwachsenenheim war die Situation angespannt. Mittlerweile haben wir jedoch sowohl aus dem Kinderheim, als auch aus dem Erwachsenenheim zugesichert bekommen, dass die Kooperation weiter bestehen soll und Freiwillige herzlich willkommen sind. Auch die Stelle des Direktors wurde neu besetzt, wie genau sich die weitere Zusammenarbeit verändert, wird sich in der Zukunft zeigen.
Neben den 50 Kindern von denen der Artikel handelt, leben im Kinderheim weitere 80 Kinder mit verschiedenen Behinderungen und Bedürfnissen. Laut einer Veröffentlichung von belarussischen Freiwilligen haben einige der Kinder wegen des Artikels ihren Anspruch auf Bildung verloren und viele wurden als nicht bildbar eingestuft.
Gegen diese Einstufung, sowie gegen die Aussage, dass das Heim eher ein Hospiz (wobei der Begriff des Hospizes vermutlich nicht eins-zu-eins ins Deutsche übertragen werden kann) ist, müssen wir Einspruch erheben. Jedes Kind sollte einen Zugang zu Bildung haben und Behinderungen dürfen nicht als unheilbare Defekte gesehen werden. Auch wenn die Bedingungen im Heim die Entwicklung der Kinder einschränken und den Neuerwerb von kognitiven sowie motorischen Behinderungen fördern, so ist das Heim trotzdem keine Betreuungseinrichtung für Sterbende.
Im Originalartikel spiegeln auch die Bilder diese Haltung wieder. Zwar zeigen sie die Situation im Kinderheim sehr ehrlich, legen jedoch auch den Fokus auf die Behinderung der Kinder und werden ihrer individuellen Persönlichkeit und ihrem Anspruch auf Respekt und Würde nicht gerecht.
Wir empfehlen sehr den Artikel zu lesen und hoffen, dass dabei der kritische Blick nicht fehlt.
Bei Fragen zu dem Artikel, der Situation im Heim oder unseren Projekten freuen wir uns über eine Mail an: info@kanikuli-ev.de