Die diesjährigen Sommerlager in Minsk liegen nun schon unglaubliche zwei Wochen zurück und so wird es Zeit, dass wir Freiwilligen noch einmal zurück schauen und ein Fazit ziehen.
Es ist ja so, dass einem meist die Eindrücke am besten im Gedächtnis bleiben, die am kürzesten zurückliegen – im Fall der Sommerlager sind das bei mir die jeweils letzten Tage mit den Kindern und den Erwachsenen. An dem Morgen, an dem die 21 Kinder zurück in ihr Heim Novinki fuhren, herrschte im Speisesaal eine bedrückte Stimmung. Es war nicht so laut wie sonst und die Kinder waren gleichzeitig sehr aufgewühlt und unruhig. Nur unsere Krankenschwester versuchte, gute Laune zu verbreiten, indem sie noch einmal ganz euphorisch das 8-tägige Lager zusammenfasste und die Kinder ermutigte, den Anderen in Novinki von allem zu erzählen – vom guten Essen, vom tollen Wetter, vom Sandstrand am See, von unserem Lagerfeuer am letzten Abend… irgendjemand fuhr sie daraufhin an, er würde mit niemandem darüber sprechen. Die Kinder hatten wohl unter sich eine Absprache getroffen, dass sie all das, was sie auf dem 8-tägigen Lager erlebt hatten, unter sich behalten wollten.
Als der Minibus von Novinki pünktlich um 9 Uhr ankam, um die Kinder und Betreuer abzuholen, war einigen die Freude ins Gesicht geschrieben, endlich nach Hause zu kommen. Andere konnten ihre Tränen nur mühsam verbergen.
Wir Freiwilligen waren an dem Tag ausgebrannt und müde und natürlich auch sehr traurig. Gottseidank hatten die drei Mitarbeiter von Novinki die Abreise gut organisiert und so mussten wir nur noch die gepackten Taschen in den Bus räumen. Als die Kinder alle abgefahren waren, verabschiedeten wir uns noch kurz voneinander und fuhren dann nach Hause. Der letzte Tag im Erwachsenenlager eine Woche zuvor lief ganz anders ab, war aber dabei noch viel anstrengender. Schon am Tag vor der Abreise waren eigentlich alle 12 Teilnehmer und die 10 Freiwilligen sehr bedrückt. Vor dem Abendessen machten wir noch eine Auswertungsrunde, in der alle noch einmal zusammenfassen sollten, was ihnen auf dem Lager gefallen hatte und was nicht. Ich persönlich fand diese Runde so bedrückend, weil mir plötzlich sehr bewusst geworden ist, welche Bedeutung das Sommerlager für die erwachsenen Teilnehmer hat. Es fällt mir sehr schwer, die Stimmung an diesem Abend wiederzugeben und ich befüchte, wenn ich es doch versuchen würde, dass es allzu platt und belanglos klingen würde.
Die Frau, die uns am Tag der Anfahrt vor dem Heim Draschnja jubelnd und mit erhobenen Armen empfangen hatte, weinte und konnte sich lange nicht beruhigen. Eine Freiwillige fehlte und kam erst gegen Ende unserer kleinen Runde mit verheulten Augen aus ihrem Zimmer.
Am nächsten Morgen brach dann das Chaos aus. Wir versuchten, die Kleidung, die wir gewaschen hatten, wieder ihren Besitzern zuzuordnen. Alle übrig gebliebenen Cremes, Shampoo, Kekse, Tee etc wurden unter den Teilnehmern aufgeteilt. Zwischendurch gab es Mittagessen und wir schafften es danach nicht einmal, das gebrauchte Geschirr zurück in die Küche zu bringen.
Der für 15 Uhr bestellte Bus kam nicht und wir mussten per Handy einen anderen Bus organisieren – mir ist heute noch nicht ganz klar, wie genau wir das geschafft haben. Alle Teilnehmer freuten sich natürlich sehr über die unerwartete Verlängerung des Sommerlagers und schmiedeten schon Pläne, im „Sputnik“ zu überwintern. Als dann gegen 17 Uhr endlich unser Minibus und ein Taxi eintrafen, haben wir alle mehr oder weniger nur noch „funktioniert“. Die Taschen wurden eingeladen, die Rollstühle in den Kofferräumen verstaut, gottseidank ging alles relativ schnell und es traten keine Probleme auf. Alle Teilnehmer, alle belarussischen und deutschen Freiwilligen waren sich in einem Punkt einig: Die Sommerlager für Kinder und Erwachsene mit Behinderung waren ein voller Erfolg und wir möchten diese Tradition, die die Freiwilligen vor 5 Jahren begonnen haben, auch im nächsten Jahr weiterführen.
Wieder gibt es viel zu organisieren, doch da wir nun schon alle etwas Erfahrung sammeln konnten – manche Freiwillige engagieren sich bereits seit 5 Jahren für dieses Projekt – wird uns die Arbeit nun wieder ein Stück leichter fallen. Das größte Problem ist weiterhin die Finanzierung. Obwohl ein kleiner Teil der Spenden für die Lager 2005 übriggeblieben ist, müssen wir uns doch schon in naher Zukunft nach neuen Sponsoren umschauen und Kontakt mit denen aufnehmen, die uns 2005 unterstützt haben.
Um unsere Pläne besser realisieren zu können, planen wir die Gründung eines Fördervereins für die Sommerlager in Minsk. Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen – bis zum Beginn des neuen Jahres werden wir dieses Ziel aber hoffentlich erreicht haben.
Wir alle freuen uns schon sehr auf die Sommerlager 2006, die wiederum für die „neuen“ Freiwilligen den krönenden Abschluss ihres Dienstes bilden werden und für uns alte Generation eine Möglichkeit sind, „unsere“ Kinder und Erwachsene wiederzusehen. Die größte Bedeutung haben die Sommerlager allerdings für die Teilnehmer. Für viele von Ihnen ist es die einzige Möglichkeit, dem tristen Heimalltag eine kurze Zeit zu entfliehen und sich in einer positiven Umgebung zu erholen. Wer die Heime Novinki und Draschnja einmal kennengelernt hat, kann nachvollziehen, wie wichtig die Lager für ihre Bewohner sind. Im Namen aller beteiligten deutschen und belarussischen Freiwilligen,
Evelyn Funk (Minsk-Freiwillige 2004-2005)