Wir, die aktuellen Minsk Freiwilligen, haben schon in unserem ersten Monat erfahren, dass im Winter eine Ferienfreizeit für erwachsene Bewohnerinnen und Bewohner eines staatlichen Behindertenheims in Novinki organisiert wird. Da wir als Freiwillige sehr gerne daran teilnehmen wollten, sprachen wir die Organisatorin, Datscha, an, die uns auch gerne mitnahm. Wir bereiteten uns vor, packten unsere Sachen und fuhren morgens ins Heim im Minsker Stadtteil Novinki. Dort angekommen warteten die Bewohner*innen, ebenfalls mit gepackten Koffern, darauf, dass es endlich losging. Alle waren ein bisschen aufgeregt, aber die Stimmung war gut. Wir fuhren anderthalb Stunden raus aus Minsk in das Erholungs- und Rehabilitationszentrum „Nadeschda“. Alle fanden sich schnell in ihr neues Zuhause für die kommende Woche ein. Wir wohnten in unterschiedlichen Konstellationen, abhängig von dem Grad der Pflegebedürftigkeit, in kleinen Wohnungen mit den Bewohnern und Bewohnerinnen zusammen. Die Wohnungen hatten zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein Bad.
Morgens nach dem Aufstehen, Waschen, und Anziehen ging es zum Frühstück. Wir wurden drei Mal täglich mit Essen bedient und aßen alle zusammen in einem Raum. Nun galt es, die Tage mit Programm zu füllen.
Für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen bot das Erholungszentrum verschiedene medizinische und anderweitige therapeutische Angebote. An unserem ersten Tag wurden alle einem allgemeinen medizinischen Check unterzogen. An den darauffolgenden Tagen gab es für alle Massagen, die besonders von Lucia, mit der ich zusammenlebte, sehr genossen wurden. Zusätzlich gab es noch eine Aromatherapie. Bei dieser wurden die Sinne der Teilnehmenden mit Musik, Lichtspielen und Gerüchen angesprochen.
Aber natürlich war neben jenen Maßnahmen auch mehr als genug Zeit für Spaß und Freizeitaktivitäten, die von Seiten der Freiwilligen organisiert wurden. Uns stand, abgesehen von unseren Wohnungen, ein Zimmer für Aktivitäten im Komplex zur Verfügung, in dem die Teilnehmenden mit uns zusammen der Kreativität freien Lauf lassen konnten.
Dort gingen wir den verschiedensten Aktivitäten nach. Nicht vergessen werde ich, wie unter Anleitung von Dascha alle Bewohner und Bewohnerinnen gemeinsam am letzten Tag an einer eigenen Geschichte arbeiteten. Nachdem sich auf das trockene Thema geeinigt wurde, dass die Protagonisten sich über kostenpflichtige Krankenhäuser echauffieren und jenen Umstand versuchen zu verändern, ging es daran aus der Geschichte einen Film zu machen. Es wurde fleißig angefangen zu basteln. Von den Hauptpersonen, über Statisten bis hin zu Einrichtungsgegenständen bastelte jeder, was ihm gefiel. Während Dascha sich daran machte, aus dem vorhandenen einen Film umzusetzen machten wir Torte. Tortenböden, Obst und mehr als genug Schmand wurden in zwei Teams übereinandergestapelt.
Abends, nach dem Essen und einer kleinen Pause, trafen wir uns alle wieder. Wir aßen die Torte und konnten testen ob die eigene, oder die des anderen Teams uns besser gefiel, dabei wurde unter viel Lachen uns unsere Geschichte präsentiert.
Die Gründe, warum ich diese Freizeit nie vergessen werde, sind zahlreich. Bei einem Leben mit den Teilnehmenden, in einer Umgebung, die gelöst war von den Strukturen, die im Heim Alltag sind, konnten wir uns alle gut kennenlernen. Ich zum Beispiel lernte die beiden mit denen ich zusammenwohnte auf einen völlig neuen Ebene kennen und entdeckte Charakterzüge, die mir beim Heimalltag völlig verborgen blieben. Aus Beziehungen, die subjektiv eher praktischer Natur waren, wurden schnell Freundschaften. Auch wenn viele der Teilnehmenden kaum oder gar nicht sprechen, entstand, da man viel Zeit miteinander verbrachte, schnell Kommunikation, die die gemeinsamen Unternehmungen noch viel intensiver machten. Neben Abenden, an denen Teilnehmende, wie Freiwillige, abends nichts als schlafen im Kopf hatten, gab es welche, an denen getanzt wurde. Es gab eine Diskothek, wir tanzten aber auch zu eigenem Gesang, begleitet von Instrumenten, die wir selber über den Tag gebastelt hatten. Beides gehörte in jedem Fall zu den Highlights und unvergesslichen Momenten der Freizeit.
Nach dem Angucken des selbstgedrehten Filmes packten wir unsere Sachen und blickten froh, müde, aber auch ein bisschen traurig darüber, dass alles schon vorbei war, auf die letzten Tage zurück.
Das Projekt wurde ermöglicht durch unzählige kleine und große Spenden, sowie einer finanziellen Förderung durch die Robert-Vogel-Stiftung.